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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Aber er hat nicht nachgesehen, in jener Nacht, was Minne wohl zu brüllen hätte. Sie wäre an der Überdosis eingegangen, hätte's nicht ihren Freund Wimpe gegeben, einen aufstrebenden I. G.-Vertreter auf den Märkten des Ostens, der vorzeitig in die Stadt geschneit kam, nachdem er seine sämtlichen Oneirin-Muster überraschend an eine Reisegruppe amerikanischer Touristen in Transsylvanien losgeworden war, die dort nach einem neuen Kitzel suchte - ich bin's, Liebchen, hätt nicht gedacht, daß ich so früh - doch dann sah er das auf den Boden hingestreckte Satingeschöpf, prüfte Pupillengröße und Hautverfärbung, eilte zu seinem Lederköfferchen und kam mit Kreislaufstimulans und Spritze. Dies und eine eisgefüllte Badewanne brachten Minne wieder auf die Beine.
    " ist ein Verstärker", bietet Bodine jetzt an, "wie in oder oder so. Und wenn etwas, was arschklar hier vorne hingehört, statt dessen dort hinten ist, dann sagt man eben analogischerweise, es ist ."
    "Aber gerade die Verbindung mit ", widerspricht Säure, "das bedeutet doch ungefähr soviel wie der Rücken vom verlängerten Rücken."
    "Aber deswegen steht er dir doch noch nicht vorne raus!" plinkert Bodine mit einem ernsthaften kleinen Kiekser in der Stimme, so als würde ihn gleich jemand schlagen -in Wirklichkeit ist das ein kleiner Privatspaß für die gewitzte Teerjacke, eine William-Bendix-Imitation. Sollen die anderen ihre Cagneys oder Cary Grants abziehen, Bodine hat sich auf die Nebenrollen spezialisiert. Er stellt einen perfekten Arthur-Kennedy-als-Ca-gneys-kleiner-Bruder auf die Bretter (wie wär's denn damit}), o-oder Cary Grants treuen indianischen Wasserträger, Sam Jaf-fe. In der Navy des Lebens ist Bodine ein einfacher Matrose, und das erstreckt sich bis zu seinen vokalen Impressionen aus den falschen Leinwandleben Fremder.
    Säure treibt, oder probiert, inzwischen etwas Ähnliches mit klassischen Instrumentalsolisten, ein Selbststudium auf der Basis von Versuch und Irrtum, bei dem er zur Zeit mittels La-la-lallen und Dum-di-dummen in die Geheimnisse irgendeines hypothetischen Joachim beim Fiedeln seiner eigenen Kadenz zu
    Rossinis lange unterdrücktem Violinkonzert (op. posth.) einzudringen versucht, was den Haushalt täglich dichter an den Rand des kollektiven Nervenzusammenbruchs befördert. Eines Morgens hält es Trudi nicht länger aus und stiefelt davon, mitten hinein in die 82. Luftlandedivision und ihren Massenabsprung über der besetzten Stadt, der ganze Himmel übersät von einer Million wolligweicher Schirme, die langsam wie weiße Ascheflocken rund um die Silhouette der stiefelnden Trudi und ihres abschiednehmenden "Er treibt mich noch in den Wahnsinn!" niedersinken. "Hi, Trudi, wohin des Weges?" "Sag ich doch gerade: in den Wahnsinn!" Und glaubt nur nicht, daß dieser verkommene geile alte Drogenfresser sie nicht liebt, denn das tut er, und glaubt nicht, daß er nicht um ihre Rückkehr betet, seine Bitte sorgfältig auf ein Blatt Zigarettenpapier formuliert, seinen besten sakramentalen Kif reinwickelt und das Gebet bis auf eine Brandblase an seiner Lippe herunterraucht, was unter Kiffern das Äquivalent zum Wünschen auf den Abendstern darstellt, von Herzen voll mit Hoffnung, daß es nur der gewohnte Stiefel ist, nur ein kleiner Ausflug, bitte laß es nur ein kleiner Ausflug sein, laß es vorbei sein, bevor dieser Tag zu Ende geht, nur dieses eine Mal noch! so lauten die Worte, die er jeden Abend mit seinem Gute-Nacht-Reefer inhaliert, sonst will ich nichts, und ich will nie mehr um was bitten, ich will's zumindest versuchen, du kennst mich ja, verurteile mich nicht zu hart, bitte... Aber wie viele von diesen Ausflügen kann es denn noch geben? Einer muß einmal der letzte, endgültige sein. Und trotzdem macht er weiter mit seinem Rossini-lalala und -dumdidum, strahlt weiter seine mickrig-miese, randexistentielle Straßen-Unverwüstlichkeit aus, nein, er scheint es wirklich nicht in der Hand zu haben, es ist eine Gewohnheit eines alten Mannes, für die er sich selbst haßt, ohne was dagegen tun zu können, egal, wie er das Problem auch angeht, immer zieht's ihn wieder in diese schmissige Kadenz zurück ... Seaman Bodine begreift, und er versucht zu helfen. Um eine löschende Interferenz zu kriegen, hat er eine Gegen-Kadenz komponiert, nach dem Muster der anderen Pop-Songs mit klassischen Namen, die um 1945 groß in Mode sind ("My Prelude to a Kiss", "Tenement Symphony"), und er benützt jede sich bietende Gelegenheit, die

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