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Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engelmacherin: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Patrik gab sich alle Mühe, nicht vorwurfsvoll zu klingen, denn das brauchte Martin jetzt am allerwenigsten. In gewisser Weise konnte er seine Reaktion sogar verstehen. Er hatte schon oft genug Menschen erlebt, die unter Schock standen, und kannte den leeren Blick und die steifen Bewegungen.
    »Ich mache uns einen Tee«, sagte er, bevor Martin die Frage beantworten konnte. »Oder willst du lieber Kaffee?«
    »Kaffee«, erwiderte Martin. Er kaute langsam und schien Schwierigkeiten mit dem Schlucken zu haben.
    Patrik schenkte ihm ein Glas Wasser ein. »Nimm das zum Runterspülen. Der Kaffee kommt gleich.«
    »Ich war noch nicht bei ihr.« Martin kaute nicht mehr.
    »Das ist kein Wunder. Du stehst unter Schock.« Patrik füllte das Kaffeepulver in die Maschine.
    »Ich lasse sie im Stich. Obwohl sie mich so dringend braucht wie noch nie. Und Tuva konnte ich gar nicht schnell genug zu Pias Mutter abschieben. Als ob die es jetzt nicht auch schwer hätte. Pia ist schließlich ihre Tochter.« Wieder schien er kurz davor zu sein, in Tränen auszubrechen, holte aber tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Ich begreife nicht, woher Pia ihre Kraft nimmt. Sie hat schon mehrmals angerufen, weil sie sich Sorgen um mich macht. Ist das nicht verrückt? Sie wird bestrahlt und bekommt eine Chemotherapie und diesen ganzen Mist. Sie hat bestimmt eine Scheißangst und ist völlig deprimiert, aber trotzdem macht sie sich Sorgen um mich!«
    »Auch das ist eigentlich nicht verwunderlich«, sagte Patrik. »Wir machen es so. Du gehst jetzt unter die Dusche, und wenn du wiederkommst, ist der Kaffee fertig.«
    »Ach, nein …«, begann Martin, aber Patrik duldete keine Widerrede.
    »Entweder gehst du freiwillig, oder ich schleppe dich ins Bad und seife dich eigenhändig ein. Allerdings würde ich mir dieses Erlebnis lieber ersparen und hoffe, dir geht es genauso.«
    Martin konnte sich das Lachen nicht verkneifen. »Komm mir bloß nicht zu nahe mit der Seife! Das mache ich allein.«
    »Gut.« Patrik drehte sich um und machte sich auf die Suche nach Kaffeetassen. Er hörte, wie Martin aufstand und ins Badezimmer ging.
    Zehn Minuten später betrat ein neuer Mensch die Küche.
    »Jetzt erkenne ich dich wieder.« Patrik schenkte heißen Kaffee in zwei Tassen.
    »Es geht mir auch etwas besser. Danke.« Martin setzte sich. Er wirkte zwar immer noch verhärmt und abgekämpft, aber in seine grünen Augen war ein wenig Leben zurückgekehrt. Das nasse rote Haar stand in die Höhe. Er sah aus wie ein etwas in die Jahre gekommener Kalle Blomquist.
    »Ich mache dir einen Vorschlag.« Patrik hatte nachgedacht, während Martin im Badezimmer war. »Du solltest so viel Zeit wie möglich darauf verwenden, Pia zur Seite zu stehen. Außerdem wirst du dich um Tuva kümmern müssen. Nimm ab sofort Urlaub. Wir wollen sehen, wie die Dinge sich entwickeln.«
    »Aber ich habe nur noch drei Wochen Urlaub.«
    »Das regeln wir schon«, sagte Patrik. »Denk jetzt nicht an die praktischen Dinge.«
    Martin sah ihn mit leerem Blick an und nickte. Plötzlich hatte Patrik ein Bild von Erica und dem Autounfall im Kopf. Es hätte auch ihn treffen können. Beinahe hätte er alles verloren.
    Sie hatte die ganze Nacht wach gelegen und nachgedacht. Nachdem Patrik zur Arbeit gefahren war, hatte sie sich auf die Veranda gesetzt, um in aller Ruhe ihre Gedanken zu ordnen. Die Kinder beschäftigten sich ausnahmsweise allein. Sie liebte die Aussicht auf den Schärengarten von Fjällbacka und war unendlich dankbar dafür, dass es ihr doch noch gelungen war, ihr und Annas Elternhaus zu retten, und ihre Kinder hier aufwachsen konnten. Das Haus war nicht ganz unproblematisch. Wind und Salzwasser hatten ihm hart zugesetzt, so dass ständig kleine Ausbesserungen und Reparaturen nötig waren.
    Finanziell war das mittlerweile kein Problem mehr. Sie hatte sich viele Jahre abgerackert und verdiente nun richtig gut mit ihren Büchern. Ihre Gewohnheiten hatte sie zwar deswegen kaum geändert, aber es war beruhigend, sich keine Sorgen um die Haushaltskasse machen zu müssen, falls die Heizung kaputtging oder die Fassade einen neuen Anstrich brauchte.
    Ihr war bewusst, dass viele Menschen diese Sicherheit nicht hatten. Wenn das Geld nie reichte und man plötzlich seinen Job verlor, war schnell ein Sündenbock zur Hand. Das erklärte wahrscheinlich einen Teil des Erfolgs von Schwedens Freunden . John Holm und das, was er repräsentierte, gingen ihr seit ihrem Gespräch mit ihm nicht mehr aus dem Kopf.

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