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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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waren, schon besser. Die einzelnen Blöcke – ein Quilt hatte meist ein Dutzend oder mehr – bestanden aus kleinen Quadraten oder Dreiecken, die zu Mustern mit Namen wie »Bärenpfote«, »Fliegende Gänse« oder »Giftbeere« angeordnet waren. Sie waren komplizierter als applizierte Quilts, für Honor aber immer noch zu einfach. Sie zog ihre Schablonen vor.
    Untätig herumsitzen mochte Honor jedoch auch nicht, sie musste irgendetwas tun. Vielleicht konnte sie einzelne Stoffstücke aneinanderreihen, die sie später, wenn ihr Kopf klarer war und sie länger am Stück nähen konnte, weiterverarbeiten würde. Honor begann Nadeln einzufädeln. Sie hatte bereits fünf eingefädelte Nadeln in ihrem Nadelkissen stecken, als sie Abigails Blick spürte.
    Â»Was machst du da? Wozu brauchst du so viele Nadeln?«
    Â»Ich bereite sie vor, damit ich nicht jedes Mal die Arbeit unterbrechen muss, wenn mir der Faden ausgeht«, erwiderte Honor. Belle Mills hatte sich über ihre Methode nicht gewundert, aber sie war schließlich auch eine versierte Näherin.
    Â»Na, bist du aber patent«, sagte Abigail in einem Tonfall, der andeutete, dass sie diese Fähigkeit nicht besonders erstrebenswert fand.
    Honor steckte zwei grüne und zwei braune Stoffsechsecke auf Schablonen fest und verband sie mit kleinen überwendlichen Stichen in weißem Faden. Unabhängig von der Farbe des Stoffes nähte sie am liebsten mit weißem Faden. Als sie am Ende der Reihe angelangt war, passte sie ein weiteres Sechseck ein, zog den Faden unten durch und nähte die nächsten beiden Seiten.
    Abigail machte große Augen. »Wie kann man nur so schnell nähen?«
    Â»Ich halte den Faden immer möglichst kurz.« Honor war aufgefallen, dass Abigail armlange Fäden in ihre Nadel einfädelte.
    Abigail nahm eine der fertigen Rosetten in die Hand. »Also wirklich, diese Stiche«, staunte sie und zog an den Nähten. »Sie sind so gleichmäßig. Seit meiner Kindheit in Pennsylvania habe ich nicht mehr so feine Stiche gesehen. Eine unserer Nachbarinnen konnte auch so gut nähen. Und unsere Mutter.« Sie zerknitterte die Blüten. »Ist da Papier drin?«
    Â»Ja. Hast du noch nie Patchworks mit Papierschablonen gemacht?«
    Â»Nein.«
    Â»In England nähen wir den Stoff um Papierschablonen, damit die einzelnen Stücke genau gleich groß werden, sonst passen sie beim Zusammenfügen nicht richtig ineinander. Siehst du?« Honor reichte Abigail ein paar Papiersechsecke.
    Â»Aber dann knistert die Decke ja!«
    Â»Wenn wir alles zusammengenäht haben, nehmen wir die Papierteilchen wieder heraus.« Honor liebte es, die Papierschablonen aus dem fertigen Quilt zu ziehen, denn dann wurde die vom Papier steife Decke mit einem Mal weich und kuschelig.
    Abigail betrachtete die Papierschablonen genauer. »Zehn Pfund Mehl,« las sie. »Lab für einen Kuchen. Ich wollte nicht … aus Dorchester weg … ich komme bald …«
    Honor erstarrte. In den Bruchstücken, die Abigail vorlas, hatte sie sofort Samuels Worte erkannt. Es war eine kurze Nachricht gewesen, in der er ihr mitgeteilt hatte, dass er Verwandte in Exeter besuche und in einer Woche wieder zurück sei. Damals war ihr der Brief so unwichtig erschienen, dass sie das Papier für Schablonen geopfert hatte. Mittlerweile hatte er eine ganz andere Bedeutung bekommen, denn in Exeter hatte Samuel die Frau kennengelernt, die er schließlich heiratete.
    Honor hielt Abigail das Nähkästchen hin, damit sie die Schablonen zurücklegen konnte, doch Abigail ließ sich Zeit. Während Honor wartete, entzifferte sie weiter die Worte auf den Papierteilchen, um sie dann einzeln ins Kästchen fallen zu lassen. »Mir gefällt Applizieren besser«, sagte sie schließlich und strich ihren rot-weiß-grünen Stoff glatt. »Mit der Methode lassen sich recht einfach hübsche Decken herstellen.« Honor sah, dass Abigails Stiche zackig und ungleichmäßig waren. Es wunderte sie nicht. Für gleichmäßige Stiche musste die Näherin still und gerade sitzen. Abigail beugte sich mit krummem Rücken, ungeschickt verdrehten Fingern und verknotetem Faden über ihre Arbeit, nähte ein paar Stiche und machte dann eine Pause, um über die Straße zu den Häusern beim Kaufladen zu blicken oder sich ein Glas Wasser zu holen. Daheim in Bridport hatte

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