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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Glas voll rotem Pulver zurück. Mit ungelenken Bewegungen und unter schweren Seufzern klopfte sie sich kleine Häufchen aus dem Glas in die Handfläche und blies sie in die Ecken. Honor versuchte gleichgültig zu wirken, doch schließlich siegte ihre Neugierde. Sie nahm das Glas in die Hand. »Was ist das?«
    Â»Roter Pfeffer. Der vertreibt alles Ungeziefer. Benutzt ihr ihn in England nicht?«
    Â»Nein. Wir haben eine Katze.« Honor verkniff sich die Erwähnung, dass ihre Katze, eine Schildpatt namens Lizzy, eine ausgezeichnete Mäusefängerin war. Wenn Honor nähte, hatte sie meist schnurrend neben ihr gesessen. Beim Gedanken an ihre alte Katze begannen Honors Augen zu brennen, und sie wandte sich wieder dem Besen zu, damit Abigail ihre Tränen nicht sah.
    Als Adam am Abend nach Hause kam, hörte Honor, wie Abigail ihm auf der Veranda etwas zuflüsterte. Sie versuchte nicht zu lauschen, doch an Abigails Tonfall wurde deutlich, worum es ging. Sie konnte nicht bleiben. Doch wo sollte sie hin?
    Am folgenden Nachmittag verkündete Abigail, sie hätten nun genug im Haushalt getan, und setzte sich mit dem Quilt, an dem sie gerade arbeitete, und einer Schüssel frischer Kirschen auf die Eingangsveranda. Die Kirschen hatte Honor zuvor von einem Baum im Garten gepflückt, damit die Blauhäher nicht alle fraßen. Jetzt holte sie ihre eigenen Nähsachen und setzte sich zu Abigail hinaus. Seit ihrem gescheiterten Versuch an Bord der Adventurer hatte sie keinen Quilt mehr angerührt. Während ihrer Weiterreise an Land war sie nicht dazu gekommen, und bei Belle hatte sie nur Hauben genäht.
    Obwohl sie die von ihrer Mutter ausgeschnittenen Sechsecke alle ins Meer geworfen hatte, besaß Honor noch ein paar Stoffstücke von zu Hause. Einige hatte sie schon aneinandergereiht, andere um Schablonen geheftet, jetzt warteten sie darauf, zu einem Quilt zusammengefügt zu werden. Fast alle Quilterinnen hatten halb angefangene Projekte herumliegen, die sie zu einem geeigneten Zeitpunkt wieder aufnehmen wollten. Honor betrachtete die fertigen Rosetten und Sterne und überlegte, was sie mit ihnen anstellen sollte. Die Farben und Formen – braune und grüne Rosetten aus alten Kleidern von ihr und Grace und ein angefangener »Stern von Bethlehem« in verschiedenen Gelbtönen – erinnerten sie an Dorset und wirkten im strahlend hellen amerikanischen Sonnenlicht fremd. Honor konnte sich nicht vorstellen, wie sie daraus etwas machen sollte, das zum Leben in Ohio passte, aber sie war auch noch nicht so weit, Stift und Papier zu nehmen und etwas Neues zu entwerfen. Es war zu früh, sie brauchte einen klaren Kopf und Inspiration.
    Honor blickte auf Abigails Quilt. Säße sie mit ihrer Mutter, mit Grace oder ihrer Freundin Biddy beisammen, hätte sie ihre Hilfe angeboten, solange sie nicht am eigenen Quilt arbeitete. Abigail jedoch traute sie sich nicht zu fragen, denn sie würde das Angebot sicher in den falschen Hals bekommen. Außerdem gefiel Honor der Quilt, den Abigail nähte, nicht. Sie applizierte eine rote Vase, aus der rote Blumen und grüne Blätter ragten, auf einen weißen Hintergrund. Schon immer hatten Honor Patchworks besser gefallen als Applikationsquilts; außerdem kam es ihr wie mogeln vor, einfach nur Stoffstücke auf eine große Unterlage zu nähen. Wer sich für diese Technik entschied, machte es sich gerne leicht, weil man nicht wie beim Patchwork Hunderte von Stoffstücken zusammensetzen und dabei gleichzeitig noch auf den Farbverlauf achten musste, damit alles zueinanderpasste und sich ein schönes Ganzes ergab. Auch wenn viele Quilterinnen über der strengen Geometrie und Genauigkeit von Patchworkmustern verzweifelten – Honor hatte Freude daran. Doch seit sie in Amerika war, hatte sie in Gasthäusern und Pensionen, an Wäscheleinen und über Verandageländern, wo sie zum Lüften hingen, fast nur noch Applikationsquilts gesehen. Die meisten waren von eher schlichter Machart und in fröhlich leuchtenden Farben gehalten, in der Regel Rot und Weiß, manchmal kam auch noch Grün dazu. Einige waren zwar sehr schön in Blätter-, Feder-, Ranken- oder Traubenmustern gequiltet und gekonnt unterfüttert, damit die Muster plastisch hervortraten, aber meistens waren diese Quilts nicht nach Honors Geschmack.
    Da gefielen ihr die amerikanischen Quilts, die aus mehreren Blöcken zusammengesetzt

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