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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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ihrem Inneren zu konzentrieren – zumindest nicht, solange Jack im selben Raum war. Später, wenn alle plaudernd vor dem Andachtsraum standen, hoffte sie inständig, dass er nicht zu Abigail, Adam und ihr herüberkommen und sie ansprechen würde. In einer so kleinen Gemeinde blieb keine Geste unbemerkt. Wahrscheinlich wusste auch Jack das, denn er blieb bei den anderen jungen Männern stehen, lachte und scharrte mit den Stiefeln im trockenen Straßendreck, bis sein weißes Hemd grau vom Staub wurde. Doch obwohl er nie offen zu ihr herüberschaute, spürte Honor seine Nähe und fragte sich, ob niemand sonst die Verbindung bemerkte, die zwischen ihnen bestand.
    Jack war kein besonders gut aussehender Mann: Sein Gesicht war flach, und die kleinen Augen standen eng beieinander. Aber er war immer frisch rasiert, was Honor besser gefiel als die Backenbärte, die sich die meisten Quäker stehen ließen. Das Attraktivste an Jack aber war, dass er sie, Honor, attraktiv fand. Es gab nichts Anziehenderes als das Interesse eines anderen. Honor spürte seine Augen auf sich ruhen; sie spürte es fast als körperliche Berührung.
    Während des Quiltkränzchens bei den Haymakers war sie froh gewesen, sich ganz auf die vertraute Aufgabe des Quiltens konzentrieren zu können; doch selbst beim Nähen musste sie die ganze Zeit daran denken, dass am Abend Jack Haymaker ins Zimmer kommen würde, um mit den Frauen zusammen zu essen. Weil Honor eine geübte Näherin war, sah man ihren Stichen ihre wachsende Anspannung nicht an, doch nach ein paar Stunden begannen ihr die Handgelenke und der Rücken wehzutun. Ihre Schultern verspannten sich, und sie bekam Kopfschmerzen, was zum Teil aber auch an der schwülen Hitze lag, an die sie sich immer noch nicht gewöhnt hatte. Als Jack dann zusammen mit den anderen Männern hereintrat, konnte Honor ihn kaum sehen, weil ihr kleine pulsierende Lichter vor den Augen tanzten und ihre Schläfen pochten.
    Veranda und Wohnzimmer füllten sich mit immer mehr Menschen, sodass Honor unbemerkt in die Küche und von dort durch die Hintertür nach draußen schlüpfen konnte. Sie stolperte zu einem Brunnen in der Mitte des Hofes und zog einen Eimer Wasser hoch. Dann lehnte sie sich an die runde Steinmauer und trank aus dem dafür vorgesehenen Becher. Sie holte tief Luft und schaute in den langsam dunkler werdenden Himmel, an dem die ersten Sterne funkelten. Die Luft war noch immer heiß und regungslos, und weiter hinten im Garten blinkten Glühwürmchen. Honor sah ihnen zu, wie sie durch die Luft flimmerten, und fragte sich, wie es kam, dass Insekten von innen heraus leuchten konnten.
    Â»Ist alles in Ordnung, Honor?«
    Natürlich war er ihr nach draußen gefolgt, obwohl sie es ganz sicher nicht darauf angelegt hatte. »Mir war ein wenig heiß.«
    Â»Es ist auch wirklich schwül heute Abend, selbst hier draußen noch. Mir ist nicht klar, wie man freiwillig in diesem überfüllten Zimmer bleiben kann.« Jack Haymaker dehnte seine Vokale beim Sprechen leicht.
    Ein Glühwürmchen war auf Honors Ärmel gelandet und begann zu ihrer Schulter hochzukrabbeln, wobei sein Körper immer noch leuchtete. Honor verdrehte den Kopf in Richtung des Insekts, was Jack zum Schmunzeln brachte. »Keine Angst, es ist nur ein Leuchtkäfer.« Er hielt ihm den Finger in den Weg. Honor versuchte, den Druck seiner Berührung zu ignorieren. Als das Glühwürmchen auf Jacks Finger krabbelte, hob er die Hand und ließ es wegfliegen. Es markierte seine Fluchtroute mit Lichtfunken.
    Â»In England gibt es keine Glühwürmchen«, sagte sie.
    Â»Wirklich nicht? Wie kommt das?«
    Â»Dort ist vieles anders.«
    Â»Was denn, zum Beispiel?«
    Honor schaute sich um. »Die Landschaft ist … ordentlicher. Die Felder sind durch Heckenreihen unterteilt, und sie sind grüner. In England ist es nicht so heiß, und es gibt weniger Bäume.«
    Jack verschränkte die Arme. »Klingt so, als würde es dir in England besser gefallen.«
    Â»Ich wollte nur …« Sie begann zu stottern – am besten, sie sagte gar nichts mehr. »So habe ich das nicht gemeint.«
    Â»Und wie hast du es gemeint?«
    Honor überlegte, was sie gerade gesagt hatte, und begriff, dass sie den Fehler begangen hatte, England als überlegen darzustellen. Jetzt musste sie irgendwie Ohio loben, das kam immer gut bei den

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