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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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gearbeitet, aber hier quilten sie alles an einem Tag, wobei viele Hände helfen. Ich hatte mich schon darauf gefreut, einmal an so einem Quiltkränzchen teilnehmen zu können, ich wünschte nur, es hätte nichts mit Abigails Hochzeit zu tun. Das trübt meine Freude ein wenig.
    Ich kann mir vorstellen, dass Du mehr über das Quiltkränzchen wissen willst, darum werde ich den Brief noch nicht abschicken und später mehr schreiben.
    Später.
    Das Quiltkränzchen fand auf dem Hof der Haymakers statt, bei denen wir unsere Milch holen. Mir gefällt ihr Name, obwohl die Mutter einen eisernen Willen zu haben scheint und die Tochter in ihren Launen Abigail ähnelt. Wir hatten ein Stück Schinkenspeck und einen Kirschkuchen mitgebracht, mussten aber leider feststellen, dass es schon vier andere Kirschkuchen und zwei Stück Schinken gab. Die »Steppdecke«, an der wir arbeiten wollten, war bereits in einen großen Rahmen gespannt. Ich hatte damit gerechnet, dass wir einen Wholecloth-Brautquilt machen würden, doch es war ein Applikationsquilt – Blumen in einer Vase und Früchte in einer Schüssel – in den für Ohio typischen Rot- und Grüntönen auf weißem Untergrund. Abigail hat in den letzten Wochen hart gearbeitet, um die Oberseite fertigzunähen. Normalerweise näht sie nicht so viel, ihr plötzlicher Eifer hätte mir also zu denken geben müssen. Das Applizieren ist hier sehr beliebt. Ich persönlich finde, es sieht zu einfach aus; als hätte die Näherin nicht lange nachgedacht, sondern nach Lust und Laune ein paar Formen ausgeschnitten und sie auf ein Stück Stoff genäht. Ein Patchwork dagegen erfordert mehr Planung und Genauigkeit, und genau das gefällt mir an ihnen, auch wenn manche meinen, Patchworks wirkten kalt und geometrisch.
    Judith Haymaker hatte mit Kreide und straff gespanntem Faden parallele Linien markiert, die wir im Rautenmuster quilten sollten. Auch durch die Blumen und Blätter sollten wir entlang der Konturen steppen. Als Hinterseite hat Abigail den üblichen blauen Stoff gewählt, den Du von unseren englischen Quilts kennst – manche Gebräuche haben den Ozean erfolgreich überquert. Die Füllung war allerdings aus Baumwolle und nicht aus Wolle, wie wir beide es vorgezogen hätten. Es gab eine Diskussion über die Herkunft der Baumwolle, und die Frauen fragten sich, ob sie womöglich von Sklaven angebaut und gepflückt worden sei. Judith Haymaker versicherte uns, dass Adam Cox die Baumwolle von einem Händler in Cleveland beziehe, der nur mit sklavenfreien Plantagen im Süden Geschäfte mache. Ich hatte schon von einem von Freunden geführten Laden in Cincinnati gehört, in dem alle Waren garantiert sklavenfreier Herkunft sind. Dass es so einen Laden auch in Cleveland gibt, wusste ich nicht, doch ich war froh, dass sich die Freunde in Faithwell Gedanken über so etwas machen.
    Wir waren acht Frauen und haben mehrere Stunden lang genäht. Wie schon in England wurden die Gleichmäßigkeit meiner Stiche und mein beidhändiges Quilten bestaunt. Die meisten Frauen hier führen die Nadel nur mit einer Hand. Sie mochten gar nicht glauben, dass man mit zwei Händen so gut durch drei Lagen quiltet. Weil ich viel schneller als die anderen war, musste ich dauernd mit den langsameren Näherinnen den Platz tauschen. Ein paar Frauen sind sogar unter den Rahmen gekrochen, um zu sehen, wie meine Stiche auf der Unterseite aussehen. Du weißt ja, dass es mir bislang immer gelungen ist, auf beiden Seiten gleichmäßig zu quilten. Ich schreibe das nicht, um anzugeben, sondern um zu zeigen, dass ich mich hier selbst bei den vertrautesten Tätigkeiten oft wie eine Außenseiterin fühle. Statt mir Komplimente für mein Geschick beim Quilten zu machen, haben die anderen mich angestarrt wie eine exotische Frucht, die auf dem Wochenmarkt feilgeboten wird. Komplimente können in Amerika fast wie Beleidigungen klingen, als ob die Lobende ihre eigene Ungeschicklichkeit verteidigen müsse, statt sich über die Fähigkeiten eines anderen Menschen zu freuen. Immerhin hat Judith Haymaker mich gebeten, die applizierten Früchte und Blumen zu quilten, da sie besonders ins Auge fallen, und das war für mich eine Art Lob.
    Während des Quiltens wurde viel geredet. Ich selbst habe aber nur etwas gesagt, wenn man mich angesprochen hat, was nicht oft geschah. Die Frauen waren

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