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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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sympathisch, allerdings muss ich zugeben, dass ich ihre Gespräche bis auf die Diskussion über die Herkunft der Baumwolle ziemlich langweilig fand. Denk jetzt bitte nicht, ich sei überheblich geworden. Wenn eine dieser Frauen mit uns in Bridport zusammensäße, fände sie unsere Gespräche über Menschen und Orte, die sie nicht kennt, wahrscheinlich auch belanglos. Wenn ich mich hier erst besser auskenne, werden bestimmt auch die Unterhaltungen interessanter für mich sein. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass die Amerikanerinnen sich vor allem für sich selbst interessieren. Vielleicht kostet sie die Mühsal des Lebens hier ja alle Kraft, weshalb sie lieber gar nicht erst über ihren Tellerrand hinausblicken.
    Auch wenn Abigails Hochzeit mit keinem Wort erwähnt wurde, schienen doch alle erleichtert zu sein, dass die Verhältnisse in unserer ungewöhnlichen Hausgemeinschaft nun besser geordnet sind. Niemand hat gefragt, was ich nun machen werde, allerdings frage ich es mich selbst. Ich möchte nicht länger mit Abigail und Adam unter einem Dach leben, aber in einer so kleinen Gemeinde wie Faithwell gibt es kaum andere Möglichkeiten.
    Am Abend, als der Quilt fertig war, kamen die Männer von der Arbeit heim, und wir haben alle zusammen gegessen. Neben Schinkenspeck gab es Rinderbraten, Kartoffelbrei, gebackene Süßkartoffeln – ihr Fleisch ist orange, und sie schmecken eher wie Kürbis als wie Kartoffeln –, grüne Bohnen, die sie hier »Strauchbohnen« nennen, frischen Mais und Maisbrot, verschiedenes Eingemachtes und viele Kuchen, vor allem Kirschkuchen, da gerade Saison ist. Am meisten habe ich mich über eine Schüssel mit Stachelbeeren gefreut, weil ich bislang gedacht hatte, dass es sie in Amerika gar nicht gibt. Ihr einfacher, aromatischer Geschmack hat mich an unseren Garten daheim in der Sommersonne erinnert.
    Ich war glücklich, an dem Quiltkränzchen teilnehmen zu können, denn Quilten macht mir immer Freude – egal was dabei geredet wird. Das gleichmäßige, von ständigen Wiederholungen geprägte Arbeiten wirkt beruhigend auf mich. Ich wünschte nur, es hätten auch ein paar Frauen am Rahmen gesessen, mit denen ich mich hätte anfreunden können. Zwei von ihnen waren sogar ungefähr in meinem Alter – Dorcas Haymaker, die Tochter des Hauses, und eine Frau namens Caroline, aber sie waren eher misstrauisch als freundlich und fühlten sich durch meine Nähkünste vielleicht beleidigt. So habe ich Dich nur umso mehr vermisst.
    Es tut mir leid, liebe Biddy. In jedem Brief habe ich das Gefühl, mich für meine Urteile und Klagen entschuldigen zu müssen. Ich bin selbst überrascht, wie schwer es mir fällt, mich an dieses neue Leben zu gewöhnen. Vielleicht liegt es daran, dass ich noch nie weit von zu Hause weg gewesen bin und mir deshalb nicht richtig vorstellen konnte, was mich in der Fremde erwartet und wie schwierig es sein würde. Außerdem bin ich natürlich davon ausgegangen, Grace an meiner Seite zu haben, die mir hilft und mich tröstet.
    Ich verspreche Dir, dass ich in meinem nächsten Brief nicht klagen werde, sondern beschreibe, wie ich richtig ins amerikanische Leben eingetaucht bin.
    Deine treue Freundin,
Honor Bright

Mais
    Jack Haymaker war wie ein verspannter Muskel, den Honor bei jeder Bewegung spürte. Sie hatte sich längst eingestanden, dass sie nach ihm Ausschau hielt, wenn sie auf dem Hof der Haymakers Milch holte. Normalerweise war er nirgendwo zu sehen, was einerseits eine Enttäuschung war, aber gleichzeitig die Erwartung weckte, er könne ja noch auftauchen. Manchmal erblickte sie ihn dann wirklich und konnte ihn aus den Augenwinkeln heraus beobachten: Mal trat er aus der Scheune, mal trieb er die Kühe vor sich her auf die Weide, oder er spannte die Pferde vor einen Wagen voller Milchkannen. Nur direkt anschauen konnte Honor ihn nie, denn das war, als würde sie in die Sonne blicken, und so blinzelte sie nur kurz und bemühte sich, ihr Interesse zu verbergen. Doch bei jedem kurzen Blick, den sie riskierte, sah sie Jack lächeln, selbst wenn er gar nicht zu ihr hinschaute. Er schien sich ihrer Aufmerksamkeit einfach immer sicher zu sein.
    Im Andachtsraum saß er ihr gegenüber auf der Männerbank. Seine Gegenwart wirkte so beunruhigend auf Honor, dass sie glaubte, sie würde es in Faithwell niemals mehr schaffen, sich auf die Stimme in

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