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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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vorbeigezogen. Die Luft hatte sich nicht abgekühlt, sodass es am nächsten Morgen noch genauso heiß und schwül wie am Vortag war.
    Â»Der Mais steht jetzt fast hoch genug«, sagte Jack, als er Honor am folgenden Samstag wieder vom Laden abholte. »Aber ein klein wenig fehlt noch.«
    Als sie zum dritten Mal mit ihm heimfuhr, bog er am Rand eines Maisfelds mit dem Wagen von der Straße ab. Sie saßen nebeneinander und schauten auf den Mais, der jetzt mit prall geschwollenen Kolben, aus denen lange seidige Haare ragten, höher als ein Mann stand. Die Stängel raschelten.
    Â»Honor, findest du nicht auch, dass dieser Mais erntereif ist?«
    Honor schluckte. Warb man so in Amerika um eine Frau? Eine Unterhaltung während eines Quiltkränzchens, drei gemeinsame Fahrten auf einem Wagen, gefolgt von einem Liebesakt im Maisfeld? Und anschließend würde das Aufgebot verlesen, und man heiratete: ganze zwei Monate vom ersten Gruß bis zum Ehebett. In Amerika schien die Zeit völlig unberechenbar zu sein: Honors gewohnter, gleichmäßiger Lebensrhythmus war völlig aus den Fugen geraten. Manchmal hatte sie fast das Gefühl, die Zeit stehe still. So war es ihr an Bord der Adventurer ergangen , und so fühlte sie sich, wenn sie auf Post von ihrer Familie wartete oder endlose Nachmittage mit Abigail auf der Veranda verbrachte. Aber dann wieder schien die Zeit zu rasen; Honor dachte an die Tage nach dem Tod von Grace oder an die Eile, die Abigail und Adam mit ihrer Heirat hatten. Auch Jacks Erwartungen hatten sich rasant entwickelt. Es machte Honor atemlos und ratlos.
    Â»Honor?«
    Hatte sie eine Wahl? Natürlich konnte sie Nein sagen, dann würde Jack das Pferd wieder antreiben, und sie würden weiter in Richtung Faithwell fahren. Er würde sie aussteigen lassen und nie wieder vom Laden abholen. Und er würde sie nie wieder anlächeln, außer auf freundlich nachbarschaftliche Art, und sie würde weiter im Haus von Abigail und Adam festsitzen. Obwohl die beiden in der vergangenen Woche geheiratet hatten, empfand Honor das Zusammenleben mit ihnen nach wie vor als verkrampft und unangenehm.
    Honor war immer davon ausgegangen, dass zwischen ihr und ihrem zukünftigen Ehemann eine tiefe Vertrautheit und Verbundenheit bestehen würde, Gefühle, die aus ihrer gemeinsamen Geschichte in derselben Gemeinde gewachsen waren. Im Fall von Samuel war diese Gleichung allerdings nicht aufgegangen, denn er hatte sie genauso plötzlich und unvermittelt im Stich gelassen, wie Jack sie jetzt begehrte. Die tiefe, gewachsene Vertrautheit, auf die Honor gebaut hatte, hatte sich in der Beziehung zu Samuel als hohl erwiesen, weil sie nicht mit körperlicher Anziehung einhergegangen war. Wenigstens begehrte auch sie Jack, dachte Honor. Das war doch schon etwas.
    Â»Ja«, antwortete sie schließlich. »Der Mais ist reif.«
    Jack sprang vom Wagen und reichte ihr die Hand. Als sie ins Feld traten, rauschte und raschelte der Mais über ihren Köpfen, die langen, faserigen Blätter schlossen sich um sie, schnappten nach Honors Kleid und kratzten ihr aufdringlich immer wieder über die Wangen. Obwohl sie in gerader Linie durch eine Reihe gingen, verlor Honor bald die Orientierung. Um sie herum nur raschelndes Grün und darüber der vor Hitze flirrende Himmel, über den Schwalben schossen, die einen Schlafplatz für die Nacht suchten.
    Jack bettete Honor auf den sandigen Boden zwischen zwei Maisreihen. Einen Moment lang blickte er sie mit der Andeutung eines Lächelns an, als suche er Einverständnis in ihrem Gesicht. Dann zog er Honors weißen Schal von ihrer Schul ter, fuhr mit dem Mund an ihrem Schlüsselbein entlang und biss sanft in ihren Hals, dort wo der Knochen eine kleine Kuhle bildete. Honor keuchte. Noch nie hatte ein Mann sie dort berührt – oder überhaupt richtig berührt. Mit Samuel hatte sie Händchen gehalten und gehauchte Küsse getauscht, und manchmal hatte sie sich an ihn gelehnt, wenn sie nebeneinandersaßen. Doch als Jack sie jetzt mit dem Mund berührte, weckte er etwas, von dem sie nicht gewusst hatte, dass es in ihr geschlummert hatte.
    Um sie herum schmetterten die Grillen ihre endlosen Lieder. Honors Atem ging schneller. Jack lockerte das Kleid um ihre Schultern und streifte es nach unten, bis das weiße V des Ausschnitts zu einem Wulst in Honors Taille zusammengeknüllt war. Als Jacks Lippen der Spur des

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