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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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tat sie mir leid. Für mich war es nur allzu offensichtlich, dass sie etwas wollte, das sie nie bekommen würde. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich hatte genau das, was ich wollte. Ich konnte es gar nicht erwarten, an meine Arbeit zu gehen.
    Stein nahm die Frage wörtlich und sagte grinsend: »Wenn du es genau wissen willst …«
    »Schon gut«, warf ich hastig ein.
    Fingerhuts Gesicht verfinsterte sich. »Ich sollte auch los. Ich hoffe, deine Namensgebung hat dir gefallen, Zwei.«
    »Außer dem Besuch beim Worthüter war alles bestens.« Während die beiden gingen, ließ ich mich lächelnd auf die Lumpenmatratze plumpsen, um über meine Zukunft als Jägerin nachzudenken.
     
    Als ich Bleich das erste Mal sah, hatte ich Angst vor ihm. Er hatte ein mageres, scharf geschnittenes Gesicht und struppiges, dunkles Haar, das über die Stirn bis hinunter über seine Augen hing, die dunkler waren als die schwärzeste Nacht. Er hatte unzählige Narben am Körper, als hätte er Schlachten
überlebt, die wir anderen uns nicht einmal vorstellen konnten. So hart das Leben hier auch war – die stumme Wut in ihm deutete darauf hin, dass er noch Härteres gewohnt war.
    Im Gegensatz zu den meisten von uns war er nicht in der Enklave geboren worden. Als Halbwüchsiger war er durch die Tunnel gekommen, halb verhungert und mehr Tier als Mensch, so fanden wir ihn. Er war weder mit einer Nummer gekennzeichnet, noch schien er irgendeine Vorstellung davon zu haben, wie man sich benimmt. Trotzdem stimmten die Ältesten dafür, ihn zu behalten.
    »Wer auf sich selbst gestellt in den Tunneln überlebt, muss stark sein«, hatte Dreifuß gesagt. »Wir können ihn brauchen.«
    »Wenn er uns nicht vorher alle umbringt«, hatte Kupfer murmelnd erwidert.
    Mit vierundzwanzig war Kupfer die Zweitälteste, und sie war Dreifuß’ Gefährtin, auch wenn es eher eine lose Verbindung war. Sie war auch die Einzige, die es wagte, ihm zu widersprechen, wenn auch nur zaghaft. Der Rest von uns hatte gelernt, seine Zunge zu hüten. Ich hatte gesehen, wie Leute verbannt wurden, weil sie sich nicht an die Regeln hielten.
    Wenn Dreifuß also beschloss, dass der Fremde bleiben sollte, hatten wir dafür zu sorgen, dass es auch funktionierte. Es dauerte eine ganze Zeit, bis ich ihn das erste Mal zu Gesicht bekam. Sie versuchten, ihm unsere Gebräuche beizubringen, und er verbrachte viel Zeit mit dem Worthüter. Wie man kämpfte, wusste er bereits, aber er schien keine Ahnung zu haben, wie man mit anderen Menschen zusammenlebt. Zumindest schienen unsere Gesetze ihn zu verwirren.
    Ich war damals noch ein Balg, deshalb hatte ich mit seiner
Eingliederung nichts zu tun. Ich wurde noch zur Jägerin ausgebildet, und da ich mich mit Stiefel und Messer bewähren wollte, trainierte ich unermüdlich. Ich war nicht dabei, als dieser seltsame Junge seinen Namen bekam. Er wusste nicht, wie alt er war, also schätzten die Ältesten einfach, wann die Zeit gekommen war.
    Danach sah ich ihn ab und zu, aber natürlich sprach ich nie mit ihm. Bälger und Jäger verkehrten nicht miteinander, außer es hatte etwas mit der Ausbildung zu tun. Wer für Kampf und Patrouillengänge auserwählt war, wurde von den Jägerveteranen unterrichtet. Die meiste Zeit trainierte ich mit Seide, aber im Laufe der Jahre kamen auch noch ein paar andere Lehrer dazu. Offiziell wurde ich Bleich erst viel später vorgestellt, nach meiner eigenen Namensgebung. Er unterrichtete gerade die Grundlagen des Messerkampfs, als Zwirn mich zu einer seiner Stunden brachte.
    »Das wäre alles«, sagte Bleich, als wir ankamen.
    Die Bälger verzogen sich mit leisem Murren, und ich erinnerte mich daran, wie sehr meine Muskeln geschmerzt hatten, als ich selbst mit dem Training begann. Jetzt gefiel es mir, wie hart meine Arme und Beine waren. Ich wollte sehen, wie gut ich den Gefahren außerhalb dieser windigen Mauern trotzen konnte.
    Zwirn neigte den Kopf in meine Richtung. »Das ist deine neue Partnerin. Seide sagt, sie ist die Beste in ihrer Gruppe.«
    »Tatsächlich?« Bleichs Stimme klang seltsam.
    Ich begegnete dem Blick seiner schwarzen Augen mit erhobenem Kinn. Der soll ja nicht glauben, dass ich Angst vor ihm habe . »Ja. Beim Werfen habe ich zehn von zehn Punkten erreicht.«

    Er bedachte mich mit einem vernichtenden Blick. »Du bist klein und schmächtig.«
    »Und du urteilst sehr schnell.«
    »Wie heißt du?«
    Ich musste nachdenken; beinahe hätte ich »Mädchen15« gesagt. Ich spielte mit der Karte in meiner Jackentasche

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