Die Enklave
kämpften in mir um die Oberhand. Ich nahm etwas Öl, band mein Haar zu einem praktischen Zopf zusammen und packte meine Ausrüstung. Das heißt, ich hängte mir die Keule über die Schulter und steckte die Dolche in die Halter an meinen Oberschenkeln. Alles an meiner Ausrüstung war selbstgemacht; Dreifuß war der Meinung, dass man sich mehr Mühe gab, wenn man Dinge für sich selbst herstellte, und vielleicht hatte er damit recht.
Der Rauch brannte in meinen Augen, als ich in den Küchenbereich kam. Kupfer röstete etwas auf einem Spieß, und das Fett tropfte zischend ins Feuer. Sie zog ihren Dolch heraus und schnitt mir einen Fetzen Fleisch ab. Er war so heiß, dass ich mir die Finger verbrannte, bevor ich ihn hinunterschlingen konnte. Ich hatte noch nie als Erste Frühstück bekommen – das war das Privileg der Jäger –, und ich platzte fast vor Stolz.
Ich beobachtete, wie die anderen Jäger ihre Portionen verschlangen, jede davon größer als alles, was ich als Balg jemals bekommen hatte. Sie sahen gestählt aus, bereit, kein bisschen nervös. Auf der Suche nach Bleich ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen und fand ihn schließlich, wie er alleine dasaß und aß. Keiner sprach mit ihm. Selbst jetzt war er immer noch ein Außenseiter, immer noch mit heimlichem Misstrauen beäugt.
Nachdem wir alle gegessen hatten, stellte Seide sich auf einen Tisch. »Es gab Sichtungen, näher an der Enklave, als uns lieb sein kann.«
Ein männlicher Jäger, dessen Namen ich nicht kannte, fragte: »Freaks?«
Ein Schauer durchzuckte mich. Freaks sahen beinahe menschlich aus – und waren es kein bisschen. Ihre Haut war voller Geschwüre, sie hatten rasiermesserscharfe Zähne und Klauen statt Fingernägeln. Ich hatte gehört, dass man sie schon von weitem an ihrem Geruch erkennen konnte, aber in den Tunneln konnte das schwierig werden. Dort unten gab es hunderte von Gerüchen, und gerade mal die Hälfte davon war angenehm. Zwirn hatte mir gesagt, Freaks würden stinken wie verwestes Fleisch. Sie ernährten sich von Aas, aber wenn sie frisches Fleisch bekommen konnten, nahmen sie auch das. Und wir mussten dafür sorgen, dass das nicht passierte.
Seide nickte. »Sie werden mutiger. Tötet jeden, den ihr erwischen könnt.« Sie hielt einen Leinensack hoch. »Euer Ziel für heute ist es, diesen Sack mit Fleisch zu füllen. Solange es kein Freak-Fleisch ist, ist mir egal, woher es kommt. Gute Jagd.«
Die anderen schwärmten aus. Ich schob mich durch das Gedränge und ging auf Bleich zu. Er sah sogar noch beängstigender aus als am Abend zuvor. Er mochte nur ein paar Jahreszyklen älter sein als ich, aber er war mir ein ganzes Leben an Jagderfahrung voraus. Seine Waffen glänzten, ein beruhigender Anblick. Sosehr ich mich auch selbst beweisen wollte, ich wollte auch einen Partner, auf den ich zählen konnte. Ich wäre dumm gewesen, wenn ich mir keine Gedanken darüber gemacht hätte, dass sein letzter Partner dort draußen umgekommen war. Vielleicht würde er mir eines Tages die näheren Umstände verraten.
»Lass uns aufbrechen«, sagte er.
Ich folgte ihm durch den Küchenbereich in einen angrenzenden
Tunnel. Vor langer Zeit hatten wir an wichtigen Punkten Barrikaden errichtet, um das Herz der Siedlung zu schützen, und ich musste auf Händen und Knien über den aufgeschütteten Verteidigungswall hinwegklettern. Für mich sah es aus, als sollte er mit neuem Material ein wenig verstärkt werden, aber das war Aufgabe der Schaffer.
Jenseits des Lichts der Enklave war es dunkel, dunkler als ich es jemals erlebt hatte, und es dauerte eine ganze Weile, bis sich meine Augen daran gewöhnt hatten. Bleich wartete, bis ich so weit war.
»Jagen wir so, im Dunkeln?« Das hatte mir niemand gesagt. Nackte Angst durchzuckte meine Wirbelsäule.
»Licht zieht Freaks an. Wir wollen nicht, dass sie uns kommen sehen.«
Reflexartig überprüfte ich meine Waffen, als könnte allein ihre Erwähnung sie sabbernd aus der Dunkelheit heraufbeschwören. Die Keule glitt reibungslos von meiner Schulter. Ich hängte sie mir wieder um. Ebenso schnell und leicht fanden meine Hände die Griffe der Dolche.
Während wir uns vorwärtsbewegten, glichen meine anderen Sinne die mangelnde Sicht aus. Ich hatte Trainingseinheiten mit verbundenen Augen absolviert, hatte aber keine Vorstellung gehabt, wie wichtig dieses Training hier draußen werden würde. Ich war froh, dass ich seine Schritte vor mir hören konnte, denn ich konnte nur vage Schatten
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