Die Entdeckung der Erde
Vögel. San Salvador erschien als eine wenig hügelige Hochebene; in seinem mittleren Theile breitete sich ein kleiner See aus, während kein eigentlicher Berg die Fläche des Erdbodens unterbrach. Vielleicht barg San Salvador jedoch große mineralische Schätze, da seine Bewohner Goldschmuck trugen, obwohl man ja nicht wissen konnte, ob dieses Metall von ihrer Heimatinsel selbst herrührte.
Der Admiral fragte deshalb einen der Eingebornen und es gelang ihm, aus dessen Zeichen zu verstehen, daß er, wenn er die Insel umsegelte und sich nach Süden wendete, ein Land antreffen werde, dessen König große, goldene Gefäße und ungeheure Reichthümer besäße. Am anderen Tage gab Christoph Columbus seinen Caravellen mit dem ersten Morgengrauen Befehl, die Anker zu lichten, und steuerte nach dem bezeichneten Festlande, das seiner Meinung nach kein anderes als Cipango sein konnte.
Wir müssen hier eine wohl zu beachtende Bemerkung einflechten über einen Umstand, der sich aus den geographischen Kenntnissen der damaligen Zeit ergab: den nämlich, daß Christoph Columbus selbst glaubte, in Asien angekommen zu sein. Cipango ist Marco Polo’s Name für Japan. Es bedurfte vieler Jahre, ehe man diesen von allen seinen Begleitern getheilten Irrthum des Admirals als solchen erkannte, und der große Seeheld selbst starb ja auch, wie erwähnt, nach vier glücklich zurückgelegten Reisen, ohne eine Ahnung davon, daß er eine Neue Welt entdeckt hatte. Es steht außer allem Zweifel, daß Columbus’ Leute, und auch dieser selbst, der Meinung waren, in der Nacht des 12. October 1492 entweder Japan, China oder Indien aufgefunden zu haben. Hieraus erklärt es sich auch, daß ganz Amerika so lange den Namen »Westindien« führte, und daß die Eingebornen dieses Continents noch heute, sowohl in Brasilien und Mexiko, als in den Vereinigten Staaten »Indianer« genannt werden.
Christoph Columbus verfolgte jetzt also eigentlich nur das eine Ziel, nach Japan zu gelangen. Er segelte längs der Küste von San Salvador hin, um auch dessen westlichen Theil kennen zu lernen. Die Einwohner strömten am Ufer zusammen und boten ihm Wasser und Cassave, d. i. eine Art Brot aus Yucca-Wurzel an. Wiederholt ging der Admiral an verschiedenen Stellen an’s Land und versündigte sich freilich gegen die Pflichten der Humanität, indem er mehrere Indianer entführen ließ, um sie nach Spanien mitzunehmen. Schon begann man also, diese Unglücklichen aus ihrer Heimat zu rauben; konnte es nun fehlen, daß man sie auch bald als Sklaven verkaufte? Endlich verloren die Caravellen San Salvador aus dem Gesichte und gingen wieder auf’s offene Meer hinaus.
Gewiß hatte ein gütiges Geschick Columbus begünstigt, indem es ihn gerade mitten in einen der schönsten Archipele der ganzen Welt führte. All’ das neue Land, das er noch entdecken sollte, glich einem gefüllten Schmuckkästchen, woraus er nur mit vollen Händen zuzulangen brauchte.
Am 15. October mit Sonnenuntergang warf die Flottille an der Westseite einer zweiten Insel Anker, welche man Conception taufte, und welche nur ein Zwischenraum von fünf Meilen von San Salvador trennte. Am darauffolgenden Morgen ging der Admiral mit gut bewaffneten und gegen jeden etwaigen Ueberfall gesicherten Booten an’s Land. Die Ureinwohner, offenbar von derselben Race wie die in San Salvadar, empfingen die Spanier sehr freundlich. Da sich indessen ein günstiger Südostwind erhob, versammelte Columbus wieder seine Flotte und entdeckte, neun Meilen weiter im Westen, eine dritte Insel, der er den Namen Ferdinandina gab. Es ist dies das heutige Groß-Exuma.
Was mochte in der Seele Christoph Columbus’ vorgehen? (S. 164.)
Man blieb die ganze Nacht aufgebraßt liegen und am nächsten Morgen, dem 17. October, kamen große Piroguen, welche um die Caravellen herumglitten. Die Beziehungen zu den Eingebornen gestalteten sich ganz vortrefflich. Die Wilden tauschten friedlich ihre Früchte und kleinen Baumwollenballen gegen Glasperlen, baskische Tamburins, Nadeln, für welche sie große Vorliebe zeigten, und gegen Syrup aus, von dem sie begierig naschten. Die Einwohner von Ferdinandina kannten schon mehr den Gebrauch der Kleidung und waren im Ganzen etwas civilisirter; sie bewohnten Häuser in Form von Pavillons mit hohen Schornsteinen, diese Hütten waren im Innern sehr reinlich und überhaupt wohlerhalten. Die von einer weiten Bucht tiefeingeschnittene Nordseite der Insel hätte wohl hundert Schiffen einen
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