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Die Entdeckung der Virtualität.

Die Entdeckung der Virtualität.

Titel: Die Entdeckung der Virtualität. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Bernd Flessner
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noch einmal zu der Kassette, stieß mit dem Fuß gegen den Deckel, aber der Stahl gab nicht nach.
       Moment! O Gott, wie konnte er nur so dumm sein! Er mußte — ja, natürlich — er mußte auf die andere Seite der Kapsel! Und das war möglich! Am Ausgang, wo die Kapsel mit dem immer schmaler werdenden Tunnel in den Trichter überging, der an der Klappe endete, befand sich ein besonderer, rotlackierter Hebel unter dem Schild NUR BEI HAVARIE DES SYSTEMS. Man brauchte den Hebel nur umzulegen, und die Kapsel würde sich fast um einen Meter heben und ihm erlauben, unter ihrem Rand auf die andere Seite hinüberzukriechen! Dort könnte er mit einem Stück Isolierung die Leitungen reinigen und...
       Mit einem Satz war er am roten Hebel. Idiot! dachte er, packte den stählernen Griff und zerrte daran, bis es in seinen Schultergelenken knackte. Der Griff, ein ölglänzender stählerner Stab, sprang in seiner ganzen Länge heraus — aber die Wanne zitterte nicht einmal. Verdutzt starrte er sie an. Im Hintergrund sah er die Bildschirme, die im Mondlicht schimmerten. Hoch über ihm flackerten noch immer die Lampen. Obwohl der Griff bereits völlig herausgezogen war, packte ihn Pirx erneut... Nichts.
       Den Schlüssel! Den Schlüssel von der Kassette des Schalters! Pirx warf sich flach auf den Boden, sah unter den Sessel, aber dort lag nur die Spicke...
       Die Lichter flackerten unaufhörlich, die Sicherung schaltete regelmäßig den Strom aus. Jedesmal wenn sie verlöschten, wirkte ringsherum alles gespenstisch, als sei es aus den Knochen eines Skeletts geschnitzt.
       Das Ende! dachte er. Sollte er sich mit der Kapsel hinausschleudern — mit dem Sitz in der Schutzhülle hinauskatapultieren? Nein, das ging nicht, der Fallschirm würde nicht bremsen, denn der Mond hatte ja keine Atmosphäre... Hilfe! wollte er schreien, aber es war niemand da, den er hätte rufen können — er war allein. Was tun? Es muß doch irgendeinen Ausweg geben...
       Noch einmal riß er an dem Hebel — fast wäre ihm die Hand aus dem Gelenk gesprungen. Er wollte weinen vor Verzweiflung. Dumm, sehr dumm... Wo steckte bloß der Schlüssel... Warum klemmte der Mechanismus... Der Höhenmesser — er erfaßte alle Instrumente mit einem Blick — zeigte neuneinhalbtausend Kilometer. Der gezackte Kamm des Timocharis hob sich deutlich von dem glühenden Hintergrund ab. Pirx glaubte bereits die Stelle zu sehen, an der sich sein Schiff in den mit Pumex bedeckten Felsen bohren würde. Ein Donnerschlag, ein Blitzen, und dann...
       Plötzlich, gerade als die Lichter aufflammten, fiel sein verzweifelt hin und her irrender Blick auf die vierfache Reihe von Kupferadern. Ganz deutlich war dort das schwarze Klümpchen zu sehen, das die Kabel miteinander verband — der Rest der verbrannten Fliege. Mit gestrecktem Hals, wie ein Torwart bei einer Parade, sprang er nach vorn. Der Schlag war entsetzlich, die Erschütterung raubte ihm fast das Bewußtsein. Die Kapselwand schleuderte ihn zurück wie einen aufgeblasenen Autoreifen, er fiel zu Boden. Die Wand zitterte nicht einmal. Keuchend richtet er sich auf, mit blutendem Mund, bereit, sich erneut auf die Wand zu stürzen.
       Er blickte nach unten.
       Der Hebel für begrenzte Steuerung... Er war für starke Beschleunigung von kurzer Dauer gedacht, in der Größenordnung 10 g, jedoch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Der Hebel arbeitete direkt, auf mechanischem Wege. Bei Schäden gab er einen vorübergehenden Schub.
       Aber damit ließ sich die Beschleunigung nur noch erhöhen - das bedeutete also, daß er noch schneller auf die Mondscheibe zurasen würde... Nein — im Gegenteil, der Schub würde bremsen! Aber er wäre zu kurz, das Bremsen mußte ununterbrochen verlaufen. Sollte denn die begrenzte Steuerung zu nichts nutze sein?
       Er warf sich auf den Hebel, ergriff ihn im Fallen, zerrte daran und hatte ohne den amortisierenden Schutz des Sitzes das Empfinden, als risse es ihm alle Knochen aus dem Leib — so hart schlug er auf den Boden. Noch einmal zog er an dem Hebel — der gleiche furchtbare Ruck! Sein Kopf prallte auf den Boden, und hätte der nicht einen weichen Belag gehabt, er wäre daran zerschmettert.
       Die Sicherung summte, das Flimmern hörte auf, normaler, ruhiger Lampenschein füllte den Steuerraum.
       Der doppelte Stoß der Beschleunigung durch die begrenzte Steuerung hatte das kleine Kohlestückchen, das zwischen den Leitungen steckte, gelöst. Der

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