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Die Entdeckung der Virtualität.

Die Entdeckung der Virtualität.

Titel: Die Entdeckung der Virtualität. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Bernd Flessner
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daß Ihnen ein Gespräch mehr zusagt als der Griff nach dem Zerstäuber? Offenbar wissen Sie ganz genau, daß Ihr psychemischer Sieg ein ordinärer Betrug ist und daß Sie dann auf dem Platz allein zurückbleiben, ein Triumphator mit Sodbrennen! Sie wollen mich zuerst überzeugen und dann ins Vergessen hinabstoßen, aber das wird Ihnen nicht gelingen! Verrecken sollen Sie an Ihrer edlen Sendung, mitsamt diesen Nutten auf den Fotos, womit Sie sich das Erlösungswerk versüßen! Sie brauchen halt doch etwas Echtes, ohne Borstenwuchs, oder?«
       Die Wut verzerrte ihm krampfig das Gesicht; er sprang auf und rief:
       »Ich habe auch andere Mittel, nicht nur idyllische! Es gibt auch chemische Höllen!«
       Ich erhob mich ebenfalls. Er wollte einen Briefbeschwerer vom Schreibtisch aufheben, aber da schrie ich schon: »Dorthin gehen wir beide zusammen!« — und ich fuhr dem Gegner an die Gurgel. Der Schwung riß uns zum offenen Fenster hinüber, wie ich dies gewollt hatte. Schritte trappelten, harte Fäuste versuchten mich von Symington wegzureißen, er wand sich und strampelte, aber da war schon das Fensterbrett, ich bog ihn rücklings darüber, bot die letzten Kräfte auf und sprang. Der Luftsog pfiff mir um die Ohren, wir überschlugen uns, fest ineinander verkeilt; der kreiselnde Trichter der Straße wurde immer größer, ich machte mich auf den zermalmenden Anprall gefaßt, aber der Aufschlag war weich, schwarze Fluten sprudelten, der stinkende, innigst willkommene Schwall schlug über meinem Kopf zusammen und teilte sich wieder. Mitten im Kanal tauchte ich auf und rieb mir die Augen, intensiven Spülichtgeschmack im Mund, aber glücklich, glücklich! Professor Trottelreiner, den mein mörderisches Geschrei aus dem Schlummer aufgeschreckt hatte, beugte sich über das Gewässer und streckte mir vom Ufer her statt einer Bruderhand den Griff des eng zusammengerollten Regenschirms entgegen. Bemben-G eräusche verebbten. Die Hilton-Direktion schlief in Reih und Glied auf den Aufblas-fauteuils (daher die Sache mit den Aufbläsen!), während sich die Sekretärinnen im Schlaf aufreizend benahmen. Jim Stantor wälzte sich schnarchend von einer Seite auf die andere und quetschte die Ratte ein, die ihm Schokolade aus der Tasche knabberte; beide erschraken. An der Wand kauerte Professor Dringenbaum, der methodische Schweizer; beim fahlgelben Schein der Taschenlampe korrigierte er mit der Füllfeder sein Referat. Als ich mir vergegenwärtigte, daß dieses sammlungsvolle Tun den Beginn der Debatten des zweiten Tages des Futurologischen Kongresses ankündigte, da begann ich so gewaltig zu lachen, daß dem Wissenschaftler das Skript aus den Händen fiel. Und es platschte ins schwarze Wasser und entschwamm in die unerforschte Zukunft.

Die Phantomologie I

    Grundlagen der Phantomatik

       Das Problem, das uns jetzt bevorsteht, ist folgendes: Wie lassen sich Realitäten erzeugen, die für die in ihnen verweilenden vernünftigen Wesen in keiner Weise von der normalen Realität unterscheidbar sind, doch anderen Gesetzen unterliegen als diese? Beginnen wir jedoch mit einer weniger anspruchvollen Frage, die gewissermaßen eine Einführung in diese Aufgabe darstellt: Ist es möglich, eine künstliche Realität zu schaffen, die der natürlichen vollkommen ähnlich ist, sich jedoch von ihr in keiner Weise unterscheiden läßt? Die erste Frage betrifft die Erzeugung von Welten, die zweite die von Illusionen. Allerdings von perfekten Illusionen. Übrigens weiß ich nicht, ob man sie lediglich als Illusionen bezeichnen kann. Der Leser wird vielleicht zu einem anderen Urteil gelangen.
       Das Fachgebiet, das wir untersuchen wollen, nennt sich Phantomatik; sie ist die Vorstufe zur eigentlichen Schöpfungstechnik. Beginnen wir mit einem Experiment, welches, um es gleich zu sagen, nicht direkt zur Phantomatik gehört.
       Ein Mensch, der auf der Veranda sitzt, schaut in den Garten und schnuppert gleichzeitig an der Rose, die er in der Hand hält. Nun halten wir (indem wir sie zum Beispiel auf einem Magnetophonband oder etwas Ähnlichem aufzeichnen) die Serien von Impulsen fest, die durch seine sämtlichen Nerven wandern.
       Dabei sind einige hunderttausend derartiger Aufzeichnungen auf einmal zu machen, denn wir müssen sämtliche Veränderungen festhalten, die in seinen sensorischen Nerven (der peripheren und der inneren Wahrnehmung) sowie in den Hirnnerven auftreten (das heißt die Signale, die von den Tastkörperchen der

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