Die Entdeckung des Higgs-Teilchens: Oder wie das Universum seine Masse bekam (German Edition)
Astrophysiker hätten endlich eine Erklärung für die Dunkle Materie, die übrigens sechs- bis siebenmal so häufig und schwer ist wie die leuchtende Materie.
Wie fast immer in der Physik führt auch die Entdeckung des Higgs-Teilchens offenbar nicht zum Ende der Forschung. Die über viele Jahre vollzogene, im Jahr 2012 endlich erfolgreiche Suche nach dem Higgs-Teilchen hat nur den Boden, auf dem die Teilchenphysik steht, stabilisiert. Dieser Boden bildet die Basis des großen Tankers Physik, der sich nun seit über 400 Jahren durch den Ozean des Wissens bewegt. Die Mannschaften an Bord werfen unablässig ihre Netze aus, immer feiner werden die Maschen ihrer Jagdgeräte, um noch kleinere und noch exotischere Phänomene der Natur einzufangen. Und immer bleibt der Blick der Menschen an Bord auf den Horizont gerichtet: Was mag sich dahinter noch alles an Rätseln verbergen?
In diesem Sinne: Ahoi!
Stockholm, 8. Oktober 2013: Bekanntgabe des Physik-Nobelpreises
Florian Zeller und Harald Lesch
Es war ein langer Weg der beiden Forscher Peter Higgs und François Englert bis zu jenem Augenblick, in dem das CERN (Europäische Organisation für Kernforschung) nach den Experimenten mit dem Large Hadron Collider (LHC) ihre Theorie des Higgs-Teilchens bestätigte. Der Nachweis ist ein Triumph der Teilchenphysik, denn ihr Standardmodell steht nun auf solidem Fundament.
Bereits in den 60er-Jahren postulierten beide Forscher unabhängig voneinander den später nach Peter Higgs benannten Higgs-Mechanismus. Im Jahrzehnt zuvor waren schon erste Versuche unternommen worden, die beiden Grundkräfte des Elektromagnetismus und der schwachen Wechselwirkung zu vereinheitlichen. Dazu führten die Forscher damals Teilchen zur Kraftübertragung ein: Bei der elektromagnetischen Kraft waren es die Photonen, bei der schwachen Kraft hingegen wurden drei noch unbekannte Teilchen vorausgesagt. Die mathematische Symmetrie verlangte, dass alle vier Teilchen masselos sind. Die Experimente zeigten jedoch, dass die Teilchen für die schwache Kraft eine Masse besaßen, weshalb diese Theorie scheiterte.
Peter Higgs, François Englert und der 2011 verstorbene Robert Brout beschritten einen anderen Weg, indem sie davon ausgingen, dass das Universum von einem Feld durchzogen sei, das manchen Teilchen ihre Masse verleiht und anderen nicht. Darauf basierend gelang es anderen Forschern, die beiden erwähnten Grundkräfte zusammenzuführen, da sie das Potenzial dieser Theorie erkannten – was diesmal drei massebehaftete Teilchen voraussetzte. Bald wurden diese als W- und Z-Bosonen postulierten Teilchen am CERN detektiert, was ihren Entdeckern den Nobelpreis einbrachte. Die Bedeutung des Feldes wurde immer wichtiger in der Physik, da es ansonsten keine feste Materie geben würde. Jedoch blieb die Frage offen, ob es wirklich ein Feld gibt und wie man es nachweisen kann.
Dass mit einem Feld auch stets Teilchen verbunden sind, besagt die Quantenphysik. Das Problem ist allerdings, dass diese nicht immer existieren. So wusste man, dass für den Nachweis des Higgs-Feldes extrem hohe Energien notwendig sind. Viele Forscher stellten deshalb den technischen Nachweis lange infrage.
Doch die Teilchenphysik baute ihr Standardmodell auf der Grundlage des noch nicht gefundenen Higgs-Teilchens immer weiter aus, und zwar mit großem Erfolg. Vorhergesagte Teilchen wurden gefunden – auch dafür gab es sehr oft Nobelpreise. Nur die Hauptgrundlage war bis zum Jahr 2012 noch unbewiesen. Das änderte jedoch der LHC mit der endgültigen Entdeckung des Teilchens, womit eine rund 60 Jahre andauernde Entwicklung der Teilchentheorie vollendet wurde. Wäre dieser Nachweis nicht gelungen, hätte das Standardmodell der Teilchenphysik Schiffbruch erlitten, da alle seine Aussagen auf einem Teilchen basierten, das dann nicht existiert hätte, es aber andererseits Teilchen vorhersagte, die gefunden wurden.
Während dieser Zeit blieben die drei Hauptakteure dieser Theorie außen vor, da der letzte Beweis immer noch fehlte. Deshalb wurden – ein Jahr nach dem erfolgreichen LHC-Experiment – Peter Higgs und François Englert 2013 in der Fachwelt als Favoriten für den Physik-Nobelpreis gehandelt. In der Hoffnung, dass die beiden nun endlich den verdienten Lohn erhielten, saßen am 8. Oktober 2013 viele Beobachter gespannt vor dem Computerbildschirm und sahen den Livestream aus Stockholm. Mit mehrstündiger Verspätung kam dann doch die erlösende Nachricht: Die zwei Begründer eines
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