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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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zurückkäme, in Asien gab es jede Menge Krankheiten. Das war nicht London.
    Das dritte Mal kam der Wagen Ende Februar in die Weymouth Street 18. Diesmal klopfte der Kutscher an der Tür, wieder war es abends, diesmal schon spät, und das Papier, das Faraday nun in der Hand hielt, bat um seinen Besuch in der Institution für den folgenden Morgen. Faraday gab sich ruhig.
    Er erwachte früh. Es war noch dunkel und regnete. Er war nicht in seinem Bett, sondern vor einer Reihe dicker und für ihren Umfang nicht sehr hoher Säulen an das Rad eines Wagens gebunden worden, aufrecht stehend, die Handfesseln über dem Kopf befestigt, vor Publikum. Er war ausgepeitscht und, schlimmer noch, ausgelacht worden, er erinnerte sich daran. Er konnte die Füße bewegen, aber nicht weglaufen, zum Hinsetzen waren die Hände zu hoch angebunden, gerade stehen konnte er wegen der Achse in seinem Rücken nicht. Er hatte nichts als ein weißes Hemd an, das gerade über den Hintern reichte und seine Scham bedeckte, sie aber bei zu raschen Bewegungen oder einem Windstoß freigab oder wenn er versuchte, sich in das Seil zu hängen, um für einen Moment die Beine und den Rücken zu entlasten, die sich anfühlten, als habe jemand reinen Alkohol oder Säure hineingefüllt.
    Das Publikum war gegangen und hatte ihn allein gelassen. Einer hatte sich beim Weggehen noch einmal halb umgedreht und gerufen, bis Montag werde man den Hochstapler nach Newgate schaffen, dann war, abgesehen vom Hall dieses Satzes in seinem Kopf, Ruhe gewesen. Jetzt schmeckte er den Regen, bis eine hohe Welle von Süden aus die Albemarle Street heraufkam und ihn mit dem Unrat wegspülte.
    Das Wasser war nicht unangenehm, lauwarm, als er aufwachte, und im Strudel hatte sich der Knoten gelöst. Faraday rieb sich die Handfesseln, an denen keine Spuren waren. Der Geruch von nasser Erde hing im Zimmer. Der Versuch, sich mit der Nase zur Wand zu drehen und wieder einzuschlafen, misslang. Er war wach, als hätte er kalt geduscht.
    Zwei Monate war es her, dass er Davy geschrieben und ihm seine Aufzeichnungen überlassen hatte.
    Ohne seinen Bruder zu stören, stand er auf und ging in die Küche, wo er Tee kochte. Die Uhr war stehen geblieben. Er blätterte in einigen Büchern, konnte sich aber nicht konzentrieren, sodass er beschloss, trotz Regen einen Spaziergang zu machen.
    Vier Stunden später war er Angestellter der Institution .
    Davy, der zwar nicht mehr fest am Haus war, doch den Titel eines Honorarprofessors trug und als ehrenamtlicher Direktor des Labors und der Mineralischen Sammlung bestellt war, hatte ihn als Ersatz für den Laborhelfer Payne vorgeschlagen. Der hatte sich mit dem Instrumentenbauer gestritten und war dabei handgreiflich geworden. Man hatte Payne sowieso nicht gemocht, und als Nachfolger von Davys Bruder John hatte er nie gute Karten gehabt.
    »Eine Prügelei wird nicht debattiert«, meinte Davy und sah Faraday lange ruhig an. Was Davy jetzt wieder wollte, fragte Faraday sich und versuchte, diesen Gedanken zu fressen. Davy mochte die Ungehaltenheit und noch mehr, dass Faraday nicht ahnte, wie sehr sie zu sehen war.
    »Bleiben Sie bloß beim Buchbinderhandwerk«, sagte der Professor grinsend und ignorierte den verärgerten Blick seines Schülers: »Die Wissenschaft ist eine sehr raue Geliebte.«
    Faraday brummte ein »Hm«, das zustimmend klingen sollte, aber lustlos war.
    Das störte Davy überhaupt nicht: »Sie können sich ihr verschreiben, aber belohnen wird sie Sie kaum dafür.«
    Mit feuerrotem Gesicht musste Faraday sich zusammenreißen: »Der Wissenschaftler«, brachte er hervor, »lernt dafür, die moralisch besseren Gefühle zu kultivieren.«
    Davy konnte erstaunlicherweise noch sehr viel breiter lächeln, als er bis jetzt gezeigt hatte. Er platzte geradezu vor Freude: »Gut. Ich überlasse es Ihrer Erfahrung der kommenden Jahre, das zu beurteilen.«
    Sehr freundlich, dachte Faraday und lehnte sich zurück, als sei alles, statt am Anfang, bereits vorbei. Davy hatte es geschafft: Der Spaziergang im Traum war vorbei. Alles war ihm egal. Er hätte genauso gut Schmied oder Kutscher sein können, lieber sogar, als sich hier herumkommandieren und sagen zu lassen, was er zu fühlen habe. Mit dem selbstsicheren, penetranten Lächeln hörte Davy aber keineswegs auf.
    »Sie können Laborassistent werden«, sagte er langsam.
    Faraday war im Moment, in dem er sein Ziel erreicht hatte, einer Empörung nahe, wie er sie kaum von sich kannte, und er wollte sie auch

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