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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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er sie, so bat er, bitte Professor Davy geben.
    »Professor Davy.« Der Pförtner wollte sich nur vergewissern.
    »Ja, Sir, bitte Professor Humphry Davy.«
    »Natürlich.« Beide bedankten sich umständlich und sandten ihre freundlich gemeinten Gesten, ein gequältes Lächeln von Faraday, ein so wohlmeinendes wie irritiertes vom Pförtner, aneinander vorbei.
    Das Frappierende war: Die Antwort brauchte nur einen Tag. Am 24. Dezember 1812 fuhr ein schwerer Wagen in der Weymouth Street vor und hielt an. Margaret Faraday sah wie viele ihrer Nachbarn aus dem Fenster, weil man am Geräusch erkannte, dass es keine normale Kutsche war. Diese hier war langsamer als gewohnt, sie quietschte nicht. Überall Messing. Der Kutscher arretierte die Bremse, sprang auf die Straße, vergewisserte sich noch einmal, dass dies die richtige Adresse war, indem er erneut und verwundert auf seinen Zettel sah und dann auf das Haus. Als er an der Tür stand und klopfen wollte, öffnete sie sich wie von allein, die Knöchel des Kutschers schwangen ins Leere, aus dem ein junges Gesicht auftauchte.
    Faraday nahm den Brief nickend entgegen, der an P. Faraday adressiert war: »Ja«, er sei der Empfänger.
    Der Kutscher empfahl sich.
    Diesmal öffnete Faraday den Umschlag langsam und hielt für den Bruchteil einer Sekunde inne, denn ein Gefühl, das jetzt folgen konnte, war ihm schon bekannt.
    »Mein Herr«, schrieb Professor Davy, der Held von ganz London, »ich bin weit davon entfernt, Ihr Vertrauen, das große Begeisterung, großes Erinnerungsvermögen und große Aufmerksamkeit beweist, zu missbilligen.«
    Faraday beobachtete sich, wie er mit dem Briefbogen in der Hand ins Haus ging, einen Fuß traumwandlerisch voraus, wie er mit der Hand die Tür hinter sich schloss, wie er die Treppenstufen hochging, langsam, eine nach der anderen, ohne den Blick von den Zeilen zu nehmen. Mit der Hand am Treppenlauf entlangfahrend, las er: »Ich muss die Stadt verlassen und werde nicht vor Ende Januar zurückkehren: Dann treffe ich Sie gern, wann immer Sie es wünschen.«
    In seinem Rücken blähte sich der Buchhandel wie eine Einbildung, in die der Wind fährt, denn der zweite Absatz lautete: »Es würde mich freuen, Ihnen zu Diensten sein zu können. Ich hoffe, es ist mir möglich.« Der Traum De la Roches war geplatzt.
    Faraday kam in der Küche an, als er die Floskel las: »Ihr ergebener, bescheidener Diener, H. DAVY.«
    Seine Mutter sah ihn fragend an, und Faraday gab ihr den Brief, den er in der Hand eines herunterhängenden Armes gehalten hatte, mit abwesendem Blick. Sie las ihn, lächelte, gab ihm den Brief zurück und wandte sich wieder ihrer Kochmaschine zu. Sie hatte es ja immer gewusst, und sie hatte es auch gemeint, wenn sie »mein Michael« sagte.
    Sie aßen zu Abend, als ob nichts geschehen war.
    6 Humphry Davy
    Das zweite Mal kam der Kutscher früh im Februar. Buonaparte war am russischen Geist zerschellt. Die Grande Armée hatte eine Spur des Hungers, der Bakterien und blutigen Füße in Schnee, Eis und Matsch zwischen Moskau und der Memel gelegt, eine Straße aus Toten, die in Zigtausenden gezählt wurden. Jeder Zehnte hatte es zurück bis Paris geschafft. Täglich erschienen neue Berichte über die Niederlage des verkleidet in einer einzelnen Kutsche nach Paris geflohenen Kaisers und seine jetzt schwache Stellung.
    Davy hatte in der Albemarle Street zwei Stühle an das große Fenster in der Vorhalle stellen lassen und gab sich unförmlich, aber kühl, als Faraday von einem Mann, den der Pförtner gerufen hatte, nach oben begleitet worden war. Davy trug eine Augenbinde, schon im Herbst hatte er sich ein Auge verletzt.
    »Setzen Sie sich doch.«
    Machte er.
    »Sie haben viel Enthusiasmus, junger Mann.«
    Ja. Na ja, das wusste er schon.
    »Meinen Respekt habe ich Ihnen bereits bekundet.«
    Zugegeben. Schadete denn eine Wiederholung unter vier Augen?
    »Eine Stelle«, sagte er langsam und forschte in Faradays Gesicht, »da muss ich Ihnen sagen, so etwas gibt es gar nicht bei uns.«
    Ach so.
    »Mehr als meine Sympathie kann ich Ihnen deshalb gar nicht anbieten.«
    Sympathie. Natürlich. Was hatte er sich auch gedacht? Eine Anstellung? Für ihn? Das musste eine Einbildung gewesen sein, da hatten wir es wieder. Irrige Vorstellungen, die ihn bei Riebau heimgesucht und verzogen hatten. Er würde natürlich auch ins Gefängnis kommen, wie Richard Brothers, wäre nicht alles hier nur seine Einbildung. Die Stühle zum Beispiel, das Fenster, London da

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