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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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nichts gesprochen, und fragte, was er vorhabe.
    Er zuckte, die Hände in den Manteltaschen, mit den Schultern, was nicht auf Liebe stieß bei ihr, sagte dann schnell: »Magst du den Ort ansehen?«
    Sie stimmte zu, ohne dass er besondere Ab- oder Zuneigung hätte ausmachen können. Dass sie ihn einfach jetzt umarmte: Wieso konnte er das wünschen?
    »Vermisst du deine Arbeit?«
    »Das wäre töricht.« Er versuchte freundlich zu wirken. Er begann von Freunden zu sprechen, zu deren engsten auf jeden Fall ihr Bruder zähle, wie wichtig sie für ihn bei all der Arbeit im Labor seien, und von seinem Zuhause, seiner Mutter, seinem Bruder, den Schwestern, die er in der Institution vermisse.
    Sie lächelte einmal, und wenn er wollte, konnte er daraus die belustigte Frage lesen, ob sie sich vielleicht doch nicht irrte und die normale Person in ihm entdeckt hatte, die er so sehr zu zeigen verweigerte. Er wollte. Aber vielleicht belächelte sie ihn auch bloß, wie man ein Kind belächelt, das etwas Lustiges, Banales, Naives gesagt hat.
    Er, der sich doch nie im Leben hatte zurückhalten lassen, nicht von Joseph Banks, nicht von seinem Sprachfehler, der fehlenden Schulbildung und Mathematik und nicht von Jane Davy, er traute sich nicht, ihre Hand zu nehmen? Ihr Bruder hatte Faraday als stürmischen Menschen beschrieben. Das musste auf alle Fälle ein Irrtum sein. Nur sein Brief ... lieber Gott!
    Bei Einbruch der Dunkelheit erst erreichten sie Ramsgate, ohne noch mal unten am Wasser gelaufen zu sein.
    »Ich melde mich morgen«, sagte sie zu ihm. Und zu Mary, die vor Neugier platzte: »Ich bin müde, lass uns schlafen.«
    Weder Faraday noch Sarahs Schwester fanden leicht in den Schlaf.
    Zum Frühstück kam der Junge gelaufen, ob Faraday morgen Zeit habe für Mrs. Barnard.
    »Morgen?«
    »Das lässt die Dame fragen.« Er wurde rot.
    »Sage ihr, dass ich selbstverständlich und sehr gerne morgen für sie Zeit habe.«
    Das Liegen auf dem Bett, gleiches Gehen am gleichen Strand, allein. Zeit – die hatte er zuletzt vor der Lehre gehabt, als Laufbursche, oder als Schüler an den Nachmittagen. Zu viel Zeit, das war neu. Wie brachte man einen Tag herum? Ein Buch hatte er nicht dabei, und er hätte sich auch schlecht auf eines konzentrieren können. Die Schaumlippen am Strand, Größe der Bläschen in Abhängigkeit von der Höhe der Welle oder von ihrer Geschwindigkeit. Das Rillenstudium. Mit welcher Frequenz leckten die Wellen den Strand? Er machte Notizen.
    Allein essen. Auf morgen warten. Und dann? Endlich wurde es dunkel. In dem kleinen Zimmer konnte er vor sich selbst so tun, als schlafe er. Dass neben dem Sauerstoff eine große Mahlzeit geholfen hätte, seinem Körper mehr Energie zu geben, konnte er nicht wissen. Er hätte sie sich hineinquälen müssen.
    Dass er weiter Gewicht verlor, das fiel auch ihr am nächsten Tag auf und machte sie vorsichtig. Er hatte eine Mühle entdeckt und angenommen, Sarah könnte sich dafür interessieren. Sie ging mit, aber das Beobachten der Mühlräder, wie sie im Beisein des glücklichen Müllers Körner zerrieben und alles einstaubten, lockerte die Stimmung nicht. Am Abend ließ Faraday sich in seinem Zimmer in den Sessel fallen, die Glieder schlaff.
    »Ich wünschte«, notierte er später, »dass Erinnerung und Gefühl mich verließen und ich ins Nichts hinübergleiten könnte.«
    Aufstehen, um unten zum Abendessen zu erscheinen, kostete Überwindung. Aber dann überkamen ihn der Stolz und die Gewissheit, dass er noch seinen Glauben hatte, der ihn nie verlassen würde. Sarah hatte abermals gesagt, er könne sie übermorgen wieder treffen. Danach würde er abreisen müssen. Immerhin hatte sie warm dazu gelächelt, und der freie Tag verging mit der Analyse dieses Lächelns. Wieder und wieder rief er es auf, um sich daran festzuhalten. Er bemühte jede kleine Regung vor und nach dem Lächeln, an die er sich zu erinnern meinte, stellte sie in Frage, war es nur eine Art Höflichkeit gewesen oder gar Erleichterung, dass die Zeit um war, oder war es ernst, nein, sie hatte doch in dem Moment gelächelt, in dem sie vom nächsten Treffen auf der Promenade sprach. Aber warum dann erst übermorgen?
    Er fing wieder von vorne an, bis sich alles auflöste, auch das Lächeln, weil er nicht mehr zwischen der Erinnerung und der Erinnerung an die vielen Erinnerungen unterscheiden konnte, und alles eine Einbildung geworden und das Lächeln verschwunden war.
    Sie fuhren nach Dover. Sarah gab sich gelöster,

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