Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
Vom Netzwerk:
mich weggegeben?«
    Diesmal verzichtete Jonas darauf, ihn zu korrigieren, auch wenn sein Gehirn automatisch übersetzte:
Du meinst, deine leibliche Mutter hat ein Adoptionsverfahren eingeleitet
.
    »Weißt du, es gibt viele Gründe, warum Menschen sich nicht um ihre Kinder kümmern können«, sagte er behutsam. »Vielleicht sind deine leiblichen Eltern gestorben oder du wurdest in Russland oder anderswo adoptiert, wo die Verhältnisse ganz anders sind.« Er wartete einen Moment. Chip rührte sich nicht. »Vielleicht . . . vielleicht erzählen dir deine Eltern jetzt, wo du über die Adoption Bescheid weißt, mehr über deine Geschichte. Falls sie sie kennen. Selbst wenn die Unterlagen zum Zeitpunkt der Adoption unter Verschluss sind, überlegen es sich manche Leute später anders und wollen offen damit umgehen.«
    Okay, jetzt war sich Jonas ziemlich sicher, dass er aus einem der Bücher seiner Eltern zitierte.
    Chip schüttelte wieder den Kopf, und zwar so fest,dass die Tür hinter ihm vibrierte. Dann sah er Jonas mit brennenden Augen an.
    »Mein Dad hat gesagt . . .«, Chip schluckte schwer und versuchte es noch einmal, ». . . mein Dad hat gesagt, mehr brauche ich nicht zu wissen. Er hat gesagt, er will nie wieder darüber reden.«
    In diesem Moment spürte Jonas die Wut in sich hochkochen. Das passierte nicht oft. Er war Chips Dad noch nie begegnet, hatte ihn immer nur vorbeifahren sehen. (Er hatte ein cooles Auto – einen BMW.) Wahrscheinlich hätte Jonas ihn bei einer Gegenüberstellung nicht erkennen können. Aber in diesem Moment wäre er am liebsten zu Chips Elternhaus hinübermarschiert, um dort kräftig auszuholen und Chips Dad mit allem, was er draufhatte, eine reinzuhauen. Und das nicht nur ein Mal.
    Jonas ballte die Fäuste. Chip starrte immer noch zu ihm auf, die Hilflosigkeit stand ihm jetzt ins Gesicht geschrieben. Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit.
    »Was kann ich nur tun?«, fragte er.
    »Wenn du erwachsen bist«, sagte Jonas, »kannst du versuchen, deine leiblichen Eltern ausfindig zu machen. Dazu brauchst du dann nicht mehr die Erlaubnis deiner Mom und deines Dads. Bis dahin – bis dahin, das schwöre ich dir, werde ich alles tun, um dir zu helfen.«

Vier
    »Versuch es mal mit 28 10 66«, flüsterte Chip.
    »Warum?«, fragte Jonas.
    »Das ist Dads Geburtstag«, erklärte Chip. »Er ist so eingebildet und blöd, dass er es glatt fertigbringt, seinen eigenen Geburtstag als Code zu verwenden.«
    Es war zwei Tage her, seit Jonas und Chip ihre DU BIST EINER DER VERSCHOLLENE N-Briefe bekommen hatten, und Chip benahm sich verrückter denn je. Heute hatte er sich auf der Rückfahrt im Schulbus in die Idee hineingesteigert, dass er unbedingt seine Geburtsurkunde sehen müsse, dass sie ihm alles verraten würde, was er wissen wollte. Und nun hockten die beiden Jungen vor einem Wandsafe in Chips Reich im Souterrain.
    Jonas hielt inne, die Hand über dem digitalen Tastenfeld.
    »Hör mal«, sagte er, »selbst wenn deine Geburtsurkunde hier drinnen ist, wird sie dir nicht weiterhelfen. Es ist, wie ich gesagt habe, wie wir es im Internet gelesen haben: Wenn ein Kind adoptiert wird, stellensie eine neue Urkunde aus und schließen die alten Papiere weg. Deine ursprüngliche Geburtsurkunde ist sicher nicht hier drinnen, es sei denn, es war eine offene Adoption. Aber wenn deine Eltern nicht mal darüber reden wollen, dass du adoptiert wurdest, glaube ich irgendwie nicht . . .«
    »Probier einfach den Code aus«, sagte Chip hartnäckig. »Mir zittern die Hände zu sehr.«
    Jonas musterte seinen Freund, der wirklich ziemlich mitgenommen aussah. Selbst im schwachen Licht des Souterrains konnte man sehen, dass Chip der Angstschweiß auf dem Gesicht stand. Seine Haare waren ganz platt gedrückt, weil er sich immer wieder an den Kopf fasste, als müsse er aufpassen, dass er nicht auseinanderbrach. Es fehlte nicht mehr viel und er würde aussehen wie einer dieser durchgeknallten Typen, die auf den Straßen im Stadtzentrum Selbstgespräche führten.
    Seufzend gab Jonas die Zahlen ein: 2 8 1 0 6 6.
    Nichts geschah.
    »Wann ist dein Geburtstag?«, fragte er Chip.
    »Meiner? Am neunzehnten September.«
    »Und du bist dreizehn?«
    »Ja, warum?«
    Jonas gab keine Antwort, sondern begann eine neue Kombination einzugeben: 1909 . . .
    Der Safe piepte und dann war ein lautes Klicken zu hören. Die Safetür sprang einen Spalt weit auf.
    »Bingo!«, sagte Jonas. Fast wünschte er, seine Eltern wären da, denn sie hätten Chip

Weitere Kostenlose Bücher