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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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so wundervolle Grübchen und so schöne Augen. Was glaubst du – hast du die von deiner leiblichen Mutter oder deinem leiblichen Vater?« Oder: »Du bist so gut in Mathe. Ich frage mich, von wem du das hast?« Jonasärgerte sich darüber, weil er wusste, dass sie diese Sätze eins zu eins aus einem Adoptionsratgeber übernommen hatte. Außerdem pflegten Leute, deren Leben wunderbar verlief, ihre Kinder normalerweise nicht zur Adoption freizugeben, Quarterbacks der National Football League zum Beispiel, Rockstars, berühmte Schauspielerinnen oder geniale Wissenschaftler. Welche negativen Eigenschaften hatte er zusammen mit den Augen, den Grübchen und der Fähigkeit, in Mathe zu glänzen, mitbekommen?
    Chip nickte.
    »Am Montagmorgen«, sagte er mit belegter Stimme, »als ich in die Schule kam, habe ich mich ständig umgesehen und gedacht: ›Ich könnte hier einen Bruder oder eine Schwester haben und wüsste es nicht einmal.‹ Also hab ich angefangen alle anzustarren und nach lockigen Haaren, dünnen Beinen und leicht ausgestellten Nasenflügeln zu suchen.«
    »Bist du deshalb auf dem Weg zum Mittagessen gegen die Wand gelaufen?«, fragte Jonas.
    »Äh, ja«, sagte Chip verlegen.
    Jonas nahm ihm behutsam den Haftzettel aus der Hand und schwenkte ihn kurz vor Chips Gesicht.
    »Das hier hat keinen Zweck«, sagte er. »Egal, was du tust, die Fragen werden niemals aufhören.«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Chip herausfordernd. »Hast du je versucht, eine Antwort auf deine Fragen zu bekommen?«

Sechs
    Sie hatten Cincinnati-Chili-Abend. Mom liebte es, das Abendessen hin und wieder unter ein Motto zu stellen, und seit Kurzem war sie auf einem Geografietrip: Die eine Woche gab es würziges Jambalaya aus New Orleans, die nächste dicken Muscheleintopf aus Neuengland und die übernächste echte (behauptete sie jedenfalls) superscharfe Tamales aus Mexiko. Cincinnati-Chili war wenigstens halbwegs normal, auch wenn Jonas nicht einsah, warum man Chili über die Spaghetti geben musste, wenn Hackfleischsoße genauso gut gewesen wäre.
    »Glaubt ihr . . .«, setzte er an, doch die anderen reichten sich gegenseitig die Schüsseln mit geriebenem Käse und gehackten Zwiebeln und schienen ihn gar nicht zu hören.
    Als Katherine wenig später mit Kauen beschäftigt war und zur Abwechslung einmal den Mund hielt, versuchte er es erneut.
    »Wisst ihr noch, dass ihr immer gesagt habt, wenn . . .«
    Katherine war fertig mit Kauen.
    »Ach, fast hätte ich es vergessen«, platzte sie heraus. »Ratet mal, wer sich nächstes Jahr als Cheerleader bewerben will?«
    »Entschuldige mal«, sagte Jonas. »Ich war als Erster dran.«
    Katherine trank einen Schluck Milch.
    »Okay, okay. Red weiter«, sagte sie. »Aber beeil dich, denn es ist wirklich witzig!«
    »Schon gut«, sagte Jonas, ein wenig gekränkt. »Was ich gemeint habe, ist . . . ich meine . . .« Er schluckte schwer.
    »Spuck’s einfach aus«, drängte ihn Katherine.
    Jonas sah sie böse an. Chips Frage hallte noch in seinen Ohren:
Hast du je versucht, eine Antwort auf deine Fragen zu bekommen?
    »Wie hieß eigentlich die Adoptionsagentur, von der ihr mich, äh, bekommen habt?«, platzte er heraus.
    Einen Moment lang war es, als hätte er eine Handgranate mitten auf den Tisch geworfen. Sogar Katherine war ausnahmsweise sprachlos. Dann lächelte seine Mutter.
    »Das haben wir dir schon mal erzählt, aber wahrscheinlich hast du es vergessen«, sagte sie. »Sie hieß ›Hoffnung für Kinder‹. Schrecklich kitschig, ich weiß, aber für uns hat es sich damals genau richtig angefühlt, weil wir so voller Hoffnung waren. Und das war alles, was wir hatten. Bis . . .«
    »Schon gut«, sagte Jonas schnell, weil er sah, dass sie im Begriff war, die Wundergeschichte wieder hervorzukramen
( der Anruf aus heiterem Himmel . . . eine Woche vor Weihnachten . . . alles, was wir uns je gewünscht haben . . .
). Dafür fehlte ihm im Moment die Geduld, ihm ging zu vieles durch den Kopf. »Hoffnung für Kinder« war ein blöder Name, trotzdem war er erleichtert, dass es nicht die Agentur »Familienglück« war, mit der Chips Familie zu tun gehabt hatte. Das ließ die übereinstimmenden Briefe, in denen sie als Verschollene bezeichnet wurden, mehr wie einen Zufall erscheinen, wie einen ganz normalen Schülerstreich.
    Sein Vater wischte sich mit der Serviette den Mund ab.
    »Gibt es noch etwas, was du gerne wissen möchtest, Jonas?«, fragte er in einem Ton, der viel zu bemüht klang, um wirklich

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