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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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rumerzählt, oder?«, fragte sie.
    »Nein – warum sollte ich? Wen interessiert das schon?«
    Katherine nickte zustimmend.
    »Das solltest du auch schön bleiben lassen«, sagte sie. Wieder sah sie zur Tür. »Aber wenn du anfängst, davon zu reden, dass du mehr über deine leiblichen Eltern erfahren willst, ist das was anderes. Du weißt, was sie unten im Augenblick machen, nicht? Sie lesen wieder diese Bücher.« Jonas musste nicht erst fragen, welche Bücher sie damit meinte. »Sie wollen rausfinden, was sie sagen müssen, damit dein Hilferuf nicht dazu führt, dass du ausflippst und Drogen nimmst und von der Schule fliegst.«
    Jonas begriff, dass auch Katherine
Das ausgeglichene Adoptivkind
und
Adoption ohne Geheimnisse
gelesen haben musste.
    »Ich habe nichts dergleichen vor«, sagte Jonas. »Das ist doch verrückt.«
    »Stimmt, und genauso verrückt ist es, dir über deine leiblichen Eltern den Kopf zu zerbrechen. Denn, ehrlich gesagt, Jonas«, sie beugte sich so weit vor, dass sie fast vom Bett fiel, »spielen deine leiblichen Eltern überhaupt keine Rolle. Du bist du. Und ob sie Grübchen haben oder drei statt zwei Augen und sechs Finger an jeder Hand ändert an dir nicht das Geringste.«
    Jonas fand es nicht sehr wahrscheinlich, dass zwölffingrige, dreiäugige Eltern ein zehnfingriges, zweiäugiges Kind bekamen, aber ganz sicher war er sich nicht. Genetik hatte ihn noch nie sonderlich interessiert.
    »Du hast leicht reden«, murmelte er verstimmt. »Du kannst in den Spiegel sehen und weißt genau, wo alles herkommt. Die braunen Augen von Mom. Die Himmelfahrtsnase von Dad.«
    »Ich hab keine Himmelfahrtsnase!«, widersprach Katherine. »Sie hat eine klassische Form.«
    Sie wandte den Kopf wie ein Model.
    »Dann eine klassische Himmelfahrtsnase«, sagte Jonas.
    »Das stimmt nicht. Ach . . . ist doch egal.« Katherine wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, als wollte sie die Nasendebatte so verscheuchen. Katherine ging einem Streit aus dem Weg? Das kam einem Wunder gleich. »Was ich sagen wollte, ist, dass es darauf nicht ankommt. Wenn du gerade eine pubertäre ›Wer-bin-ich-Phase‹ durchmachst, liegt das nicht daran, dass du adoptiert wurdest. Das macht jeder durch. Ich weiß auch nicht, wer ich bin.«
    Jonas tätschelte ihr den Arm.
    »Katherine Marie Skidmore, weißt du nicht mehr?«, sagte er. »Die Tochter von Michael und Linda. Enkelin von . . .«
    »Nein, ich meine, wer bin ich wirklich?«, unterbrach ihn Katherine. »Ich frage mich zum Beispiel, ob ichnächstes Jahr, wenn wir uns bei den Teams bewerben können, lieber Cheerleader oder Basketballerin werden soll. Ist es mir lieber, wenn die Leute denken: ›Katherine Skidmore ist zwar ein Hohlkopf, aber ein ziemlich heißer Feger‹, oder ›Katherine Skidmore, die Sportkanone‹?«
    Jonas war hin- und hergerissen. Er hätte sie gern auf den Arm genommen und gesagt:
Egal, was du machst, es wird so oder so ›Hohlkopf‹ und mit Sicherheit nicht ›hei
ßer Feger‹ heißen. Gleichzeitig drängte es ihn aber auch, ihr einen klugen brüderlichen Rat zu erteilen wie:
Katherine, du Idiotin, es kommt ganz allein auf dich an, nicht darauf, was die anderen von dir denken.
Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, weil es genau in diesem Moment klopfte. Sowohl er als auch Katherine zuckten schuldbewusst zusammen.
    »Ist das eine Privatveranstaltung oder sind Erwachsene auch zugelassen?«, rief die Mutter von draußen.
    Katherine warf Jonas einen Blick zu, der besagte:
Siehst du, ich hab dir ja gesagt, sie drehen durch.
    Jonas erwiderte ihren Blick und rief: »Herein.«
    Mom machte die Tür auf, blieb aber ein wenig zögerlich im Türrahmen stehen.
    »Ich habe so lange gebraucht, um dieses Cininnati-Chili zu kochen und die ganzen Zwiebeln zu schneiden, dass ich ganz vergessen habe . . . heute ist Post für dich gekommen, Jonas«, sagte sie und hielt einen weißen Umschlag hoch.
    Jonas spürte, wie sich sein Magen zusammenzog.
    Mom kam ins Zimmer und legte den Umschlag auf den Schreibtisch, neben sein Sozialkundebuch. Wieder stand kein Absender darauf. Es war einfach ein ganz gewöhnlicher, neutraler Umschlag, der an Jonas adressiert war.
    »Wenn es eine Geburtstagseinladung oder irgendetwas anderes ist, an dem du teilnehmen willst, dann sag mir Bescheid, damit ich es in den Kalender eintragen kann«, sagte seine Mutter mit der gleichen unnatürlich vorsichtigen Stimme, die sie schon beim Abendessen benutzt hatte.
    »Geht klar«, sagte Jonas.
    Er machte

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