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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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Jonas drei Dinge:

Mr Reardon war überrascht und irritiert, nein,
wütend
darüber, diese Akte auf seinem Tisch zu sehen.
Mr Reardon wollte um keinen Preis, dass Jonas’ Familie die Akte auf seinem Tisch bemerkte.
Jonas hatte nicht die geringste Chance, sich die Mappe anzusehen und ihren Inhalt auswendig zu lernen. Nicht, solange Mr Readon mit nervösen Blicken zwischen ihr und Jonas hin- und hersah.
    Weil mir schlecht geworden ist? Weil sich dieses Treffen um mich dreht? Oder weil er gesehen hat, dass ich die Mappe bemerkt habe?
    »Nein, wirklich«, sagte Mr Reardon gerade. »Ich denke, das haben wir bereits ausführlich besprochen. Ich sehe keinen Grund, diese Diskussion fortzuführen.«
    O nein! Mr Reardon war im Begriff, das Gespräch zu beenden und sie hinauszuwerfen!
    Jonas bekam es mit der Angst zu tun. Sollte er ein weiteres Magenproblem vortäuschen? Nein, dann würden seine Eltern nur noch auf ihn achten und Mr Reardon hätte eine perfekte Gelegenheit, die Akte zu verstecken. Was dann?
    Er schaute sich verzweifelt um, zur Decke, zum Fußboden, auf die Fenster hinter Reardons Schreibtisch. Dann sah er ein zweites Mal auf den Boden, wo Katherines rot gestreifte Schnürsenkel lose neben dem Stuhlbein baumelten.
    Hm. Fenster. Schnürsenkel.
    Jonas lehnte sich nach vorn.
    »He, Katherine«, sagte er laut, »dein Schuh ist offen.«
    Einen Moment lang fürchtete er, sie würde nicht reagieren – warum benahm sie sich nur so seltsam? Doch dann beugte sie sich vor, jedenfalls weit genug, dass ihre Köpfe unterhalb der Schreibtischkante und damit außer Sicht waren. Nun konnte Jonas ihr ins Ohr flüstern: »Ich werde Reardon ablenken. Schau in die Akte, die auf seinem Tisch liegt, und merk dir so viel wie möglich.«
    Katherine nickte. Jedenfalls glaubte Jonas, dass sie das tat. Ihm blieb keine Zeit, sich zu vergewissern. Er richtete sich wieder auf.
    »Nun«, sagte seine Mutter und machte Anstalten, aufzustehen. »Wie ich schon sagte, wir sind Ihnen wirklich dankbar für dieses Treffen. Aber . . .«
    »Was ist denn das?«, fiel Jonas ihr ins Wort und zeigte zum Fenster. Er hoffte inbrünstig, dass Mr Reardon nie als Lehrer gearbeitet hatte. Falls doch, würde er darauf niemals reinfallen. Doch daran wollte Jonas lieber nicht denken. Er versuchte, unschuldig und verblüfft zu klingen. »War das nicht so was wie ein Feuerball?«
    Er sprang auf und rannte hinter den Schreibtisch. Das war der riskante Teil. Er wirbelte Mr Reardons Stuhl herum, sodass dieser ebenfalls zum Fenster sah.
    Jetzt, Katherine!, dachte er, ohne nachsehen zu können,ob sie seinen Anweisungen folgte. Er musste an seinen eigenen Part denken.
    »Sehen Sie nur, Mr Reardon«, rief er. »Können Sie . . .« Er versuchte so zu tun, als sei ihm gerade ein schrecklicher Gedanke gekommen. »Kann man von hier aus eigentlich den Flughafen sehen?«
    Mr Reardon stand tatsächlich auf und schaute aus dem Fenster. Draußen dämmerte es und die Scheibe war getönt. Jonas konnte nicht mehr erkennen als die Lichter auf dem Parkplatz. Doch er hoffte, Mr Reardon würde einige Zeit brauchen, um das festzustellen.
    Auch seine Eltern drängten sich ans Fenster.
    »Wir sind wirklich sehr dicht am Flughafen«, murmelte Mom. »Oh, die armen Menschen . . .«
    Danke, Mom. Super Effekt.
    »Ich sehe gar nichts«, sagte Mr Reardon. Lag da ein Hauch Misstrauen in seiner Stimme?
    »Vielleicht ist es der falsche Winkel«, sagte Jonas. Er ging ein wenig in die Hocke und deutete hinaus. »Weiter rechts, glaube ich.«
    »Da draußen ist nichts«, sagte Mr Reardon, der sich nun sicher zu sein schien.
    »Hm, das ist ja komisch«, sagte Jonas. »Sind Sie sicher? Von da, wo ich gesessen habe, sah es aus wie . . .«
    Das Wort »sitzen« hätte er besser nicht erwähnen sollen. Seine Mutter, sein Vater und Mr Reardon drehten sich gleichzeitig um und schauten auf seinen Stuhl. Zum Glück brütete Katherine in diesem Moment nichtüber der Mappe. Sie lehnte an der dem Fenster zugewandten Schreibtischkante, die Arme hinter dem Rücken und den Blick starr geradeaus gerichtet, als sei sie ebenfalls auf der Suche nach Jonas’ mysteriösem Licht.
    Sie konnte unmöglich genug Zeit gehabt haben, um in die Mappe zu sehen, ihren Inhalt auswendig zu lernen und sich dann vor den Schreibtisch zu stellen.
    Jonas verließ der Mut.
    »War wohl bloß eine Spiegelung«, sagte er.
    Etwas von seiner Enttäuschung musste in seinen Worten durchgeklungen sein, als habe er wirklich darauf gehofft, einen

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