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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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    »Sie ist weg.«
    Die Bibliothekarin machte ganz schmale Augen und legte misstrauisch den Kopf schief.
    »Und was sollte das alles?«, fragte sie. »War das eine Art Mutprobe? Oder hast du dich damit für die Theater-AG beworben? Wenn ja, kann ich dich wärmstens für deine Rolle empfehlen. Du hast mich restlos überzeugt. Du hast
mich
dazu gebracht, durch die Bücherei zu rennen.«
    »Ich hab nicht gelogen!«, wehrte sich Jonas. »Hier drinnen haben wirklich zwei Männer gekämpft und sie schienen gefährlich zu sein und . . .«
    Die Bibliothekarin tippte sich aufs Kinn und ihre Augen wurden noch schmaler.
    »Wie konntest du sehen, was im Konferenzraum los ist,
bevor
du durch die Eingangstür gestürmt bist?«, fragte sie.
    »Äh, durch die Fensterscheibe? Von draußen?«, erwiderte Jonas, was wirklich nicht ganz gelogen war. Trotzdem klangen seine Worte eher wie eine Frage.
    »Irgendjemand hat erzählt, er hätte geglaubt, hier hinten ein Mädchen schreien zu hören. Aber wir dachten, es wäre bloß eins von diesen Computerspielen.« Die Bibliothekarin schien eher mit sich selbst zu reden. Sie packte Jonas am Arm. »Komm mit. Wir durchsuchendie Bücherei und du sagst mir, ob du einen der Männer wiedererkennst.«
    Zaghaft ließ sich Jonas durch den Zeitschriftenbereich, an den Computern und dem Registrierschalter vorbei und durch die Kinderbuchabteilung führen, wo die Mutter ihr Kleinkind gerade mit übertriebener Geduld fragte: »Welches willst du haben?
Der neugierige George
oder
Die Katze im Hut

    In der Jugendbuchabteilung spielten einige Leute aus der Schule am Computer und zeigten kichernd auf Jonas, als sie sahen, wie er im Griff der Bibliothekarin herumgeführt wurde.
    »Ich kann keinen von ihnen sehen«, sagte er mit schamrotem Gesicht. Er wollte nur noch raus aus der Bücherei und fort von der Bibliothekarin. Er konnte Chip und Katherine sehen, die zögernd vor der Eingangstür standen und nicht wussten, ob sie kommen und ihn retten sollten oder nicht.
    Die Bibliothekarin ließ ihn los.
    »Ich glaube, du hast wirklich etwas gesehen«, murmelte sie. »Du hast dich gründlich nach den Männern umgesehen.«
    Das hatte Jonas tatsächlich. Auch wenn die Leute aus der Schule ihn ausgelacht hatten, hatte er in jedem Gang zwischen den Regalen und selbst im letzten Winkel der Leseecke des Kinderbuchbereichs nachgesehen.
    Die Männer waren verschwunden.
    »Na ja«, sagte Jonas und versuchte, das Zittern inseiner Stimme zu unterdrücken. »Jetzt ist jedenfalls alles in Ordnung. Kann ich gehen?«
    Die Bibliothekarin sah ihn nachdenklich an.
    »Ja, geh«, sagte sie.
    Jonas konnte ihren Blick spüren, während er auf Chip und Katherine zusteuerte. Als er durch die Tür ging, fühlte er sich wie ein Roboter. Sein Körper tat etwas ganz Normales, er setzte einen Fuß vor den anderen und streckte die Hände vor, um die Tür aufzudrücken, während in seinem Kopf alles drunter und drüber ging und ein seltsamer Gedanke nach dem anderen aufblitzte.
    »Was ist passiert?«, fragte Katherine. »Ist mit Angela alles okay?«
    »Angela . . .« Jonas hatte alle Mühe, seinen Verstand zusammenzunehmen und sich auf jene Erinnerung zu konzentrieren, die sein Hirn unentwegt in etwas Normales und Akzeptables umzuwandeln versuchte, etwas, das zu dem passte, was er bereits über die Welt wusste. Er würde sein Gehirn daran hindern; er würde nicht aufhören, sich auf seine Augen zu verlassen.
    »Ich habe Angela gesehen«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob sie okay ist oder nicht. Ich glaube, sie ist in einer Zeitschleife verschwunden.«

Einundzwanzig
    »Jetzt fängst du auch noch an!«, jammerte Chip.
    »Tut mir leid!«, sagte Jonas. Er beugte sich vor, legte die Hände auf die Knie und versuchte, tief durchzuatmen. Eine verspätete Reaktion auf die wilde Radelei und das Gerenne. Sobald er dazu imstande war, sah er zu Chip auf. »Ich bin mir nicht sicher, ob es das war. Ich bin mir über gar nichts mehr sicher. Aber ich
glaube
, dass das passiert ist, weil es am meisten Sinn ergibt.«
    »Am meisten Sinn?«, wiederholte Chip verblüfft. »Das ist die beste Erklärung, die dir einfällt? Eine Zeitschleife?«
    »Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe«, sagte Jonas. Die Ränder seines Sichtfelds waren immer noch ein wenig verschwommen, doch das war normal.
Sauerstoffmangel
, meldete ihm sein Verstand. Er fühlte sich wie nach einem kompletten Fußballspiel als Mittelfeldspieler. Nachdem er eine geschlagene Stunde über das

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