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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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verzweifelt auf die Bücherei zuzufahren, wie er eben noch von ihr fortgeradelt war.
    Auch Erwachsene können entführt werden, dachte er. Und sie ist ein bisschen verrückt. Wahrscheinlich vertraut sie jedem, der so tut, als glaube er ihre verrückten Theorien. Ihre Theorien sind doch komplett verrückt, oder?
    Darüber konnte er im Moment nicht nachdenken.Er konzentrierte sich darauf, schneller zu treten. Als er endlich bei der Bücherei ankam, taten ihm die Beine weh und er bekam kaum noch Luft. Er ließ sein Fahrrad auf den Bürgersteig fallen und schlüpfte direkt vor einer Mutter durch die Tür, die mit einem Kleinkind an der Hand nervtötend langsam einen Buggy vor sich herschob und dabei jeden Schritt kommentierte: »So ist es recht. Erst drückst du den Knopf für den automatischen Türöffner, dann geht die Tür auf und . . .«
    Jonas sauste durch den Eingangsbereich und am Registrierschalter vorbei.
    »In der Bücherei wird nicht gerannt, junger Mann!«
    Das war die Bibliothekarin, eine der Frauen, die seine Mutter immer begrüßte, wenn sie vorbeikam. Jonas überlegte, ob sie nicht die Vorlesestunde geleitet hatte, als er und Katherine noch in den Kindergarten gegangen waren.
    »Ich wollte – Konferenzraum – Männer kämpfen – Gefahr.«
    Mehr brachte er mit seiner brennenden Lunge nicht heraus.
    Es war der Bibliothekarin hoch anzurechnen, dass sie augenblicklich verstummte und aktiv wurde.
    »Zeig’s mir«, sagte sie.
    Mehr oder weniger rennend, eilte sie hinter Jonas her.
    Sie liefen durch die Magazine, vorbei an den Zeitschriften, wo Katherine sich versteckt hatte, und dem Sachbuchbereich mit all den dicken Büchern überSteuern. Dann hatte Jonas endlich freie Sicht auf den Konferenzraum und . . .
    Er war leer.
    »Angela?«, rief Jonas.
    Er bahnte sich den Weg in den Konferenzraum. Das Zimmer war nicht nur leer, auch die Stühle standen wieder in perfekter Ordnung um den Tisch herum. Und dieser befand sich wieder genau in der Mitte des Raums, als hätten ihn die kämpfenden Männer niemals verschoben. Das Fenster war zu. Das einzige Anzeichen dafür, dass überhaupt etwas geschehen war, war ein Fleck an der Glaswand. Vermutlich waren es Jonas’ eigene Fingerabdrücke, die er hinterlassen hatte, als er aus dem Fenster geklettert war.
    »Was hast du eigentlich geglaubt, was sich hier drinnen abspielt?«, fragte ihn die Bibliothekarin mit skeptisch hochgezogenen Augenbrauen.
    In diesem Moment bemerkte Jonas aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Er wandte den Kopf, um aus dem Fenster zu sehen, und da war Angela. Sie eilte mit zügigen Schritten zum anderen Ende des Parkplatzes.
    »Das ist die Frau, die in Gefahr war!«, rief Jonas. Noch während er zusah, trat Angela auf der anderen Seite des Platzes zwischen ein paar Kiefern. Sie drehte sich um und hob die Hand, als wollte sie ihn grüßen. Und dann . . . war sie urplötzlich verschwunden.
    Jonas hatte nicht geahnt, dass es so aussehen würde.Er hatte zwar gehört, wie Katherine das Auftauchen und Verschwinden des Hausmeisters beschrieben und Angela das Gleiche von dem Flugzeug berichtet hatte. Aber er hatte nicht begriffen, wie seltsam es sein würde, dass es sämtliche Nerven in seinem Körper zum Kribbeln bringen und ihn alle möglichen Grundannahmen über das Funktionieren der Welt infrage stellen lassen würde. Konnte man auch die Schwerkraft manipulieren? Und . . . die Zeit?«
    Jonas blinzelte, stierte und stotterte: »Aber . . . aber . . .«, doch er war klug genug, den Mund zu halten, denn die Bibliothekarin musterte ihn bereits mit misstrauischen Blicken. Sein Hirn war schon damit beschäftigt, ihm Erklärungen zu liefern:
Sie ist bloß hinter einen Baum getreten . . . Du hast nur geblinzelt und dir eingebildet, etwas Merkwürdiges zu sehen.
Es war die gleiche Art von Erklärungen, mit denen er versucht hatte, Katherines und Angelas Geschichten abzutun. Die gleiche Art von Erklärung, die jeder andere bei einem flüchtigen Blick aus dem Fenster ohne Weiteres akzeptiert hätte. Aber sein Blick war nicht flüchtig gewesen: Er wusste, dass er nicht geblinzelt hatte, nicht, während Angela verschwunden war. Jetzt war ihm klar, was Angela gemeint hatte, als sie sagte: »Ich weiß, was ich gesehen habe. Auf meine Augen ist Verlass.« Die Szene hatte sich klar und deutlich vor ihm abgespielt und er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie Angela sich in Luft aufgelöst hatte.
    »Wo ist die Frau?«, fragte die Bibliothekarin. »Mir ist nicht ganz . .

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