Die Entfuehrung
sich auf einen Hocker, den sie an den Tisch gezogen hatte, und klopfte auf einen zweiten Hocker neben sich. »Ich finde, du solltest dich erst mal setzen und was frühstücken«, sagte sie.
Alistair nickte dankbar. Großtante Harriet stellte einen Teller vor ihn hin und Großvater Nelson legte ein ziemlich braunes Stück Toast darauf. Tibby Rose bestrich es mit drei verschiedenen Marmeladesorten.
Der Anblick der drei Streifen Marmelade – Himbeer, Heidelbeer und Aprikose – tröstete Alistair erst mal. Als er aufblickte und sah, dass ihm Tibby Rose freundlich zulächelte, stellte er fest, dass es auch etwas sehr Tröstliches hatte, noch eine rotbraune Maus kennenzulernen – die einzige, die er je gesehen hatte. Auch wenn ihr Fell eine Schattierung anders war als seines. Und auch wenn sie in einem anderen Land lebte.
Während er vier Scheiben Toast und zwei Gläser Milch zu sich nahm, wurden keine verstörenden Fragen gestellt und keine erschreckenden Auskünfte erteilt. Allerdings fiel Alistair auf, dass Großtante Harriet und Großvater Nelson besorgte Blicke wechselten. Er merkte, dass ihnGroßtante Harriet mit einem Blick ansah, der misstrauisch wirkte.
Schließlich schaute sie ihre Großnichte streng an und sagte: »Warum nimmst du Alistair nicht mit hinauf in die Bibliothek und zeigst ihm deine Karte von Souris, Tibby Rose? Das findet er sicher interessant.«
Die beiden jungen Mäuse standen auf und Tibby Rose ging voran in die düstere Diele. Sie waren fast die Treppe bis oben hinaufgestiegen, als Großtante Harriets Stimme zu ihnen drang.
»Das Vernünftigste – oder sollte ich sagen, das Gesetzestreueste – wäre, die Königlichen Wachen zu holen und ihn festnehmen zu lassen. Wird das nicht in solch einer Situation von uns erwartet?«
Tibby Rose drehte sich nach Alistair um, legte einen Finger auf die Lippen und bedeutete ihm, ihr wieder nach unten zu folgen. »Pass auf die dritte Stufe auf«, raunte sie. »Die knarrt nämlich.«
Alistair folgte ihr und trat nur dorthin, wohin sie trat, bis sie wieder in der düsteren Diele vor der Küchentür standen. Großvater Nelson spülte das Geschirr und reichte es seiner Schwester, die es abtrocknete.
»Na, na, Harriet«, sagte Großvater Nelson gerade. »Du weißt gut, dass du das nicht ernst meinst. Er muss aus einem bestimmten Grund hier sein. Abgesehen davon, wenn wir die Königlichen Wachen rufen würden, dann würde das nur unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns lenken. Und das wäre doch das Letzte, was wir wollen.«
»Kann man wohl sagen. Eine rote Maus unter unserer Obhut zu haben ist schon gefährlich genug, aber zwei ? Ich weiß nicht, was da gespielt wird, aber ich wünschte, man würde uns da raus lassen.« Lautstark knallte sie Besteck in eine Schublade. »Ich weiß nicht, Nelson.« Sie seufzte. »Mir ist klar, dass er noch ein Junge ist, und er sieht ja auch ganz harmlos aus, sonst hätte ich ihn gleich weggeschickt – aber was um Himmels willen macht er hier? Auf keinen Fall glaube ich diese lächerliche Geschichte, dass er in Schetlock aus dem Fenster gefallen und hier in Souris gelandet ist. Glaubst du, dass ihn jemand geschickt hat?«
»Aber wer?«, sagte Großvater Nelson. »Und warum? Er ist ja wohl genauso ratlos, warum er hier gelandet ist, wie wir. Vielleicht ist er ja doch der, der er zu sein behauptet, so seltsam seine Geschichte auch klingt. Wir sollten seiner Tante und seinem Onkel einen Brief schicken und ihnen schreiben, wo er ist. Dann können sie veranlassen, dass er geholt wird.«
»Aber wenn wir das tun«, entgegnete Großtante Harriet sofort, »woher sollen wir wissen, dass der Brief sicher dort ankommt? Wird die Post zwischen hier und Schetlock geöffnet? Dann lassen sie uns womöglich überwachen.«
»Ach, ich weiß nicht«, sagte der Großvater. »Das klingt mir ein bisschen weit hergeholt.«
»Tja, du solltest das besser beurteilen können als ich. Du gehst einmal die Woche in die Stadt, um Einkäufe zu machen. Ich dagegen habe das Haus in den letzten zwölf Jahren kaum je verlassen, wie du nur zu gut weißt.Nun sag mir Folgendes: Hast du bei deinen Gängen in die Stadt irgendwas gehört? Gibt es in letzter Zeit was Neues von drüben ? Unruhen im Grenzgebiet vielleicht?«
Großvater Nelson zog den Stöpsel aus dem Spülbecken, sodass Alistair die Antwort des alten Herrn wegen des ablaufenden Wassers nicht hören konnte.
Als es wieder still war, sprach Großtante Harriet gerade: »... kaum denkbar, dass sie was
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