Die Entfuehrung

übersehen. Folgen Sie einfach dem Geruch nach Rollmöpsen.«
    »Schreck lass nach! Tibby, bring uns zu dem Rettungsboot«, drängte Alistair.
    Eilig rannten die vier Mäuse die enge Treppe hinauf.
    Auf Deck kämpften die Matrosen der Marmaduk tapfer, um die Eindringlinge zu vertreiben. Zum Glück waren sie zu beschäftigt, um auf die vier jungen Mäuse zu achten, die sich zwischen ihnen hindurchschlängelten.
    Die vier waren fast an der Reling, als sie von unten einen Schrei hörten.
    »Sie sind weg! Die Gören sind fort!«
    »Alle Mann über die Reling!«, rief Alistair.
    Alle vier kletterten gerade über die Reling, da meldete Horatius mit kummervoller Stimme: »Dort sind sie, Sophia!«
    »Haltet sie!«, rief die silbergraue Maus. »Ich befehle euch Matrosen, sie festzuhalten!«
    Doch die Matrosen der Marmaduk waren zu sehr in den Kampf mit den Piraten verwickelt, um auf sie zu achten.
    Beim Sprung in das Rettungsboot warf Alistair noch einen Blick über die Schulter und sah ein silbriges Fell über das Deck eilen und sich durch die Menge schieben. Ein pechschwarzer Mäuserich kam ihr etwas zögerlich nach.
    »Tibby, wie kriegen wir das Ding aufs Wasser?«, fragte Alistair besorgt.
    »Es ist mit einem Seil an der Reling vertäut«, rief Tibby. »Wir müssen das Seil durchschneiden.« Fieberhaft sah sie sich auf dem Boden des Bootes um.
    Schnell wie ein Blitz schwang sich Alex wieder über die Reling zurück.
    »Alex!«, schrie Alice. »Wo gehst du hin? Komm zurück!« Sie versuchte, seinen Schwanz zu erwischen, schaffte es aber nicht.
    »Entschuldigung?« Alex klopfte einem Piraten auf die Schulter, der sein Entermesser an die Gurgel eines Matrosen hielt, den er an die Reling gedrängt hatte.
    »Was?«, fragte der Pirat ungeduldig.
    »Ich brauch mal dein Entermesser«, sagte Alex und riss es dem verdutzt dreinblickenden Piraten aus der Hand.
    »He!«, rief der Pirat, doch Alex machte einen Satz und sprang, eine Hand auf der Reling, seitwärts darüber hinweg in das Rettungsboot.
    »Hier.« Er streckte Tibby Rose das Messer hin, die das schwere Teil mit beiden Händen packte und damit die Seile durchschnitt, mit denen das Rettungsboot an dem Schiff hing.
    »Festhalten!«, schrie sie, als das kleine Boot mehrere Meter hinuntersackte und mit einem mächtigen Klatschen im Wasser landete.
    Alistair, der an den Paddeln bereitsaß, fing an, sie schnell von der Marmaduk fortzurudern.
    »Kommt zurück!« Oben auf dem Deck schüttelte Sophia die Faust. Doch Sophia und der jämmerliche Horatius waren die einzigen Mäuse an Bord, die dem Verschwinden der vier jungen Mäuse Beachtung schenkten.
    »Gott sei Dank, dass ihr euer rotbraunes Fell gefärbt habt«, sagte Alice. Mit einer Mischung aus Schrecken und Erleichterung sah sie die silbergraue Maus über das Deck laufen. »Wenn sie geahnt hätte, dass ihr in so greifbarer Nähe wart ...« Sie schauderte.
    Alistair legte sich ordentlich in die Riemen. Er sah nach links und nach rechts und über die Schulter, konnte aber nirgends Land entdecken. »Tibby«, fragte er, »in welche Richtung soll ich rudern?«
    Tibby sah sich um und blickte dann in den Himmel. »Dorthin.« Sie deutete nach links, was für Alistair rechts war.
    Alex und Alice starrten sie mit offenen Mündern an.
    »Woher weißt du das?«, fragte Alex. »Wir sind doch mitten auf dem Meer. Es gibt keine Orientierungspunkte und wir haben keine Karte oder so.«
    »Tibby kann alle möglichen erstaunlichen Dinge«, sagte Alistair. Er war ziemlich stolz auf seine neue Freundin.
    Tibby deutete zur Sonne. »Schetlock liegt im Süden und die Sonne geht im Westen unter. Wir haben frühen Nachmittag. Wenn ich zur Sonne gucke, muss Süden links sein. Aber es gibt noch etwas. Seht ihr die weißen Wattewolken dort? Man nennt sie Kumuluswolken. Wenn man so eine Wolkenbank an einem ansonsten wolkenlosen Himmel sieht, dann steht sie meistens über Land.«
    »Wow. So was zu wissen ist ja praktisch«, sagte Alice, und Alistair korrigierte seinen Kurs.
    Mit einem bescheidenen Schulterzucken sagte Tibby Rose: »Euer Bruder ist nicht der Einzige, der gerne liest.«
    Während der ersten hundert Ruderschläge war Alistair in bester Stimmung. Er hatte Bruder und Schwester wieder und bald würde er in Schetlock sein. Die Aufregung ihrer Flucht von der Marmaduk hatte ihm einen Energieschub gegeben und so waren seine Ruderschläge kräftig und schnell. Denn sie waren nicht nur Sophia und Horatius entkommen – sie hatten alle ihre Verfolger