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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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mehr lange blind sein!«
    Es vergingen einige Minuten, jeder Mann an Bord horchte gespannt auf das entfernte Geschützfeuer.
    Bolitho merkte, daß er über den Klüverbaum hinaussehen konnte, und als er querab blickte, sah er eine gekrümmte Brandungslinie, die die nächsten Riffe bezeichnete. Vielleicht war es der Nebel oder Echos vom noch unsichtbaren Land, jedenfalls klang das Geschützfeuer irgendwie falsch. Er konnte das schärfere Knallen der Neunpfünder der Fawn von den schweren Geschützen des Feindes unterscheiden, aber da waren noch andere Explosionen aus verschiedenen Richtungen, die sich überhaupt nicht mit den Umständen vereinbaren ließen.
    Die Sonne brach durch und schien auf die feuchten Planken; Dunstschleier stiegen von den tropfnassen Wanten und dem Tauwerk auf, dann wurde der Nebel wie ein phantastischer Vorhang weggezogen, und man konnte im Morgenlicht jedes Detail klar erkennen: die Spitze der Insel, dunkelblau gegen den freien Himmel, und dazwischen das Muster der Brandung und Strömung, die die Nähe der Sandbank anzeigten.
    Und genau vor der Sparrow lag Maulbys Fawn, ihr Rumpf schien mit Bolithos Klüverbaum verwachsen zu sein.
    Etwas weiter weg, Masten und Segel immer noch im Nebel verborgen, lag der Franzose, halb vom Schatten verschluckt, die Umrisse mit der Landschaft dahinter verwischt. Er feuerte schnell, die Batterie blitzte mit orangen Zungen auf, über dem Geschützrauch konnte man deutlich seine Flagge sehen.
    Erst jetzt bemerkte Bolitho, daß die Fawn immer noch verankert war. Voll Übelkeit betrachtete er die Wasserfontänen, die um sie herum aufspritzten, den gelegentlich größeren Springbrunnen, wenn eine Kugel längsseits einschlug.
    Buckle rief heiser: »Sie haben den Anker gekappt, Sir!« Maulbys Männer legten bereits die Riemen aus, um von der mörderischen Sandbank freizukommen, während ihre Geschütze weiterhin lebhaft auf den Feind feuerten. Bolitho umkrampfte die Reling, als der Fockmast der Fawn zuerst schwankte und dann in einem Wirbel von Gischt und Rauch fiel. Er hörte Tyrells Stimme wie im Traum, sah ihn erregt auf etwas zeigen, mehr Blitze zuckten, nicht von dem Franzmann, sondern von Land her. Die Batterie mußte ziemlich weit unten stehen, wahrscheinlich auf einem kleinen Strand.
    Was für eine perfekte Falle! Maulby mußte vom Nebel überrascht worden sein, und nachdem er sich vergewissert hatte, daß der Feind offensichtlich noch in der Nähe der Küste war, war er vor Anker gegangen, um Colquhouns Unterstützung zu erwarten. So war es nicht erstaunlich, daß der Leutnant der Bacchante so viel Aktivität gemeldet hatte. Der französische Kapitän hatte sich die Zeit genommen, eine Batterie an Land zu bringen, so daß jeder Angreifer in einem verheerenden Kreuzfeuer gefangen werden mußte, aus dem es kaum ein Entkommen gab.
    Die Riemen waren nun ausgelegt, hoben und senkten sich wie Flügel, drehten die kleine Korvette herum, bis sie vom Feind weg und zur offenen See strebte.
    Ein Durcheinander von Schreien und Stöhnen ertönte vom Geschützdeck, als die Backbordreihe der Riemen in wildem Gewirr wegflog; die zersplitterten Ruderblätter wurden in die Luft gewirbelt, ehe sie um das Schiff herum in Fetzen aufschlugen.
    Bolitho nahm ein Fernglas und richtete es auf das Achterdeck der Fawn. Er sah durcheinanderrennende Figuren, Gesichter, die durch die Vergrößerung und ohne daß man sie sprechen hören konnte, noch schrecklicher wirkten. Offene Münder, gestikulierende Arme, als die Männer liefen, um die beschädigte Takelage wegzuhacken, damit wenigstens einige Geschütze weiterfeuern konnten. Eine Spiere fiel in sein begrenztes Gesichtsfeld, so daß er sich unwillkürlich krümmte, als ob er erwarte, den Schock des Aufschlags zu spüren. Ein Seemann rannte und stolperte zu einem Niedergang, sein Gesicht war offensichtlich weggeschossen, furchtbar anzusehen, wie er stürzte und endlich über Bord fiel.
    Jemand hatte einen klaren Kopf behalten, denn hoch über dem Deck sah Bolitho das Großmarssegel frei im Wind flattern; langsam begann die Fawn Fahrt zu machen.
    Er merkte, daß Buckle ihn am Arm rüttelte, und drehte sich um, als dieser verzweifelt schrie: »Wir müssen wenden, Sir!« Er zeigte gestikulierend auf das glitzernde Wasser und die Masse brauner Pflanzen, die dicht unter der Oberfläche vorbeiglitt. »Wir laufen jeden Moment auf!«
    Bolitho blickte an ihm vorüber. »Klar zum Ankern, Mr. Tyrell.«
    Er erkannte seine eigene Stimme nicht wieder.

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