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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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sich zu ihm umdrehen und etwas sagen konnte.
    Im gleichen Augenblick baute sich Elmar vor ihr auf. »Der Burgvogt wünscht Euch umgehend zu sehen«, verkündete er schroff und mit herrischer Miene.
    Kurz sah Marthe von einem zum anderen der drei Männer, die plötzlich alle auf einmal nach ihr verlangten. Dann drückte sie dem Verletzten das Rotöl in die Hand, verneigte sich höflich vor dem Pater und überließ es den beiden, miteinander klarzukommen. »Verzeiht, der Sohn des Markgrafen ruft nach mir.«
     
    Elmar behielt seine formelle Höflichkeit ihr gegenüber nur so lange bei, wie sie von anderen umgeben waren. Kaum hatten sie die Halle verlassen, packte er Marthe grob am Arm und drückte sie gegen eine Wand.
    »Was sollte das vorhin mit Albrechts Träumen? Ich schwör’s, ich bring dich eigenhändig um, wenn du ihn oder einen von unseren Männern behext! Und zwar langsam und qualvoll! Du kennst mich gut genug, um dich vor mir zu fürchten.«
    Obwohl er damit recht hatte, tat sie, als hätte sie die Drohung überhört. Wütend zerrte sie, um ihren Arm freizubekommen – vergeblich, denn seine Hände waren wie eiserne Zwingen.
    »Mir kann es gleichgültig sein, ob er gut schläft oder nicht!«, fauchte sie Elmar an. »Aber es ist ein Gift! Kommt Euch nie der Gedanke, jemand könnte ihm einmal zu viel davon geben?«
    Wahrscheinlich wäre das für uns alle am besten, dachte sie bitter. Und ebenso wahrscheinlich werde ich es früher oder später bereuen, wenn ich ihm jetzt helfe, davon loszukommen, anstatt darauf zu warten, dass er irgendwann zu viel davon nimmt. Aber ein Herrscher, den grauenvolle Alpträume und Phantasiegespinste heimsuchten, war noch unberechenbarer und gefährlicher als einer, der wegen seiner Gicht schlechtgelaunt war.
    Elmar ließ sie los und stieß sie in die Gästekammer, die sie für Albrecht hatte herrichten lassen.
    Ottos Sohn war in ebenso schlechter Stimmung wie sein Ritter.
    »Du wirst mein Geheimnis hüten, sonst lasse ich dich aus dem Weg räumen, ist das klar?«, drohte er ihr, kaum dass Elmar die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    »Selbstverständlich, Herr.«
    »Also, Hexe: Was weißt du über meine Alpträume?«
    »Das ist keine Hexerei, sondern einfaches Kräuterwissen, Herr«, widersprach Marthe sanft. Irgendetwas sagte ihr, dass sie jetzt mit dem hochmütigen und jähzornigen jungen Mann geduldig umgehen musste wie mit einem uneinsichtigen Kind.
    »Eine winzige Menge Bilsenkraut macht Euch stark – für den Augenblick. Aber es dauert nicht lange, dann macht es Euch schwach. Und die Alpträume werden immer schlimmer. Bis Euch die Wahnbilder auch am Tag verfolgen.«
    Sie sah ihm eindringlich in die Augen. »Ich kann Euch dazu verhelfen, dass Ihr schlaft, ohne von Dämonen heimgesucht zu werden.«
    »Wieso sollten wir dir trauen?«, mischte sich Elmar wütend ein. Zu Albrecht gewandt, sagte er: »Glaubt ihr nicht! Wie könnt Ihr Euer Leben in die Hände dieses Weibes geben? Holt lieber einen Priester, der die Dämonen austreibt!«
    »Solange ich mich noch nicht dafür entschieden habe, sie ins Verlies zu werfen, wahrt gefälligst die Regeln der Höflichkeit«, wies Albrecht ihn zu Marthes Überraschung dafür zurecht, dass er sie mit dem plumpen »Du« angeredet hatte.
    Sie wusste genau, was die beiden gerade dachten. Albrecht wollte unbedingt ihre Hilfe. Er musste schon so oft von dem Gift genommen haben, dass ihn die Schreckgespinste nicht mehr losließen. Er litt wirklich, wollte sich aber nicht einem Geistlichen ausliefern. Wenn sich herumsprach, dass sich der Sohn des Markgrafen einem Exorzismus unterziehen musste, konnte er wahrscheinlich die Hoffnung aufgeben, die Mark Meißen zu erben.
    Elmar hingegen war am verächtlichen Gesichtsausdruck anzusehen, dass er sich nur mit Mühe davon abhielt, herauszuplatzen, wieso er ein Weib respektvoll anreden solle, das er sich wohl ein Dutzend Mal mit Gewalt gefügig gemacht hatte wie die billigste Hure, sogar ohne zu zahlen. Doch aussprechen durfte er das nicht.
    Auch wenn auf Notzucht der Tod stand – sie konnte jetzt nicht mehr Klage gegen ihn erheben, weil sie es damals nicht sofort getan hatte. Kein Gericht hätte einer besitzlosen Wehmutter recht gegeben gegen vier vermögende Ritter. Dennoch würde die Sache nun, da Marthe eine Edelfreie war, ein schlechtes Licht auf ihn werfen. Obwohl bei näherer Betrachtung die Folgen für sie noch viel schwerwiegender wären. Jeder würde erwarten, dass Christian sie verstieß,

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