Die Entscheidung der Hebamme
Novizenärsche.«
»Genug!«, fuhr ihm der junge Ritter zu seiner Linken wütend ins Wort. »Du musst mit deinen Schandtaten nicht noch prahlen.«
Zu Gerolf und dessen Begleitern gewandt, sagte er: »Mein Name ist Hoyer von Falkenstein. Folgt uns. Wir geleiten Euch zu Philipp.« Er wendete sein Pferd und wartete, bis es ihm der Hüne gleichtat. Dann ritten sie allesamt auf den schwarzen Lindwurm zu.
Der Erzbischof war schon von weitem nicht zu verkennen. Vor ihm, an der Spitze des Zuges, ritten dicht hintereinander fünf Reihen bis an die Zähne bewaffneter Männer. Ihnen folgten ein Reiter, der Philipps Banner trug, und drei Geistliche. Das Banner hing schlaff im Wind. Der Erzbischof selbst ritt in prunkvoller Kleidung und mit einem goldenen Kreuz über der Brust einen prächtigen Fuchs. Doch offensichtlich hatte er Mühe, das temperamentvolle Tier zu beherrschen – was ihm nur recht geschah, wie Christian dachte. Gottesmänner waren gehalten, brave Zelter oder Maultiere zu reiten, wenn sie schon nicht zu Fuß gingen, und keine feurigen Hengste.
Ein Kordon Schwerbewaffneter flankierte den Erzbischof, gefolgt von zwei Dutzend Rittern. Mehr Einzelheiten konnte Christian nicht ausmachen, während sie sich Philipps Truppen näherten, aber eines war deutlich zu erkennen: Nach der prunkvollen Formation an der Spitze löste sich die Ordnung des Zuges schnell auf. Hinter den Berittenen stapfte grölendes Fußvolk in schier unübersehbarer Zahl wild durcheinander. An mehreren Stellen hatten sich die Reihen ganz aufgelöst, weil dort Schlägereien im Gange waren.
Auf ein Zeichen des Hünen hin teilte sich die Reiterschar an der Spitze des Zuges, um die Neuankömmlinge durchzulassen.
In respektvollem Abstand vor dem Erzbischof brachten sie ihre Pferde zum Stehen.
»Eine Gesandtschaft des ehrwürdigen Wichmann«, rief der Kölner Ritter.
Offenkundige Erleichterung machte sich auf Philipps Gesicht breit. Er zügelte seinen Hengst und hob eine Hand. »Wir rasten hier. Baut mein Zelt auf!«, befahl er.
Die Bewaffneten saßen ab, mit routinierter Geschäftigkeit wurde das Lager errichtet. Als Gerolf Wichmanns Grüße übermitteln wollte, brachte ihn der Erzbischof mit einer Geste zum Schweigen. Offenbar wollte er nicht reden, bevor sein Zelt stand, dessen Leinwände wenigstens den Anschein von Vertraulichkeit vermitteln konnten.
Christian zog seine eigenen Schlüsse aus diesem Vorgehen. Bisher hatte er den eitlen Erzbischof Philipp nur bei Hoftagen erlebt: seiner Macht bewusst und von geradezu beleidigender Herablassung gegenüber allen anderen, den Kaiser ausgenommen. Dagegen schien er jetzt kaum wiederzuerkennen: blass und nervös, beinahe ängstlich. Seine Augen wanderten unruhig hin und her.
Der mächtige Philipp hatte unverkennbar die Gewalt über die finstere Macht verloren, die er heraufbeschworen hatte. Er konnte das entfesselte Brabanzonenheer nicht mehr beherrschen, auch nicht mit Hilfe seiner Ritter, deren Zahl nicht ausreichte, um den Söldnertrupp zu disziplinieren.
Das Zelt wurde genau an jener Stelle errichtet, wo der Erzbischof mit Hilfe eines seiner Gefolgsmänner aus dem Sattel gestiegen war. Niemand verschwendete einen Gedanken daran, dass sie mitten auf der Straße lagerten. Kein Händler, Wallfahrer oder sonstiger Reisender würde auf die Idee kommen, den Weg benutzen zu wollen, solange diese wilde Streitmacht in der Nähe war.
Während Christian und seine Begleiter warteten, dass sie zu Philipp gerufen wurden, schauten sie sich aufmerksam um. Hoyer, der junge Kölner Ritter, erteilte Befehle, ihnen die Pferde abzunehmen und zu versorgen. Auch er wirkte angespannt und besorgt.
Aus dem Augenwinkel erahnte Christian eine Bewegung, die er sicher nicht hatte sehen sollen: Derjenige, der seinen Rappen anpflocken sollte, fingerte am Verschluss der Satteltasche, um darin nach etwas zu suchen, das ihm nützlich sein könnte.
Mit einer blitzschnellen Drehung und noch in der Bewegung das Schwert ziehend, überrumpelte Christian den Dieb, einen vor Schmutz starrenden Kerl mit verfilztem Haar, der ihn nun dümmlich anstarrte, als er die Schwertspitze an seiner Kehle spürte.
»Wäre mein Pferd nicht im Weg, hätte ich dir die Diebeshand längst abgeschlagen«, stieß Christian wütend hervor. Er packte den Ertappten mit der Linken und drückte ihn auf die Knie. Dann richtete er den Blick auf den Brabanzonenführer, der ihnen entgegengeritten war.
»Bestrafst du den Dieb selbst, oder soll ich es
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