Die Entscheidung der Hebamme
Seite.«
»Der Kampf ist die Aufgabe des Wehrstandes!«, widersprach Dietrich leidenschaftlich. »Und wir verteidigen das Land gegen Herzog Heinrichs Willkür. Seine Truppen haben ganze Landstriche verheert!«
»Das ist es, was ich meine«, entgegnete Christian gelassen. »Philipps Rotte tut nichts anderes, im Gegenteil, sie sind noch schlimmer. Der Krieg ist eben nicht nur Sache des Wehrstandes. Er trifft immer die Wehrlosen zuerst und am härtesten. Diejenigen, die wir Ritter nach unserem Eid eigentlich zu schützen haben.«
Dietrich begriff, dass sein Lehrmeister ihm mit diesen gefährlich offenen Worten einen Vertrauensbeweis geschenkt hatte. Sosehr er auch grübelte, ihm fiel einfach nichts ein, das er jetzt sagen konnte.
Ein ohrenbetäubender Donner, begleitet von einem grellen Blitz, ersparte ihm die Antwort. Mit einem Mal erfüllte ein stechender Geruch das Kirchenschiff. Plötzlich richteten sich alle Blicke nach oben, wo es laut krachte und flackernd zu leuchten begann.
»Feuer! Alle hinaus!«, schrie jemand. »Die Kirche brennt!«
Sofort stürzten mehrere Männer auf den Erzbischof zu, um ihn in Sicherheit zu bringen. Bar jeglicher Würde rannte er hinaus, während ihm die Kleider um die Waden flatterten.
Raimund und Lukas waren durch den Alarmruf sofort hellwach und hatten gewohnheitsmäßig nach ihren Waffen gegriffen. Doch dann erkannten sie, was geschehen war. Ein Blitzschlag hatte den Kirchturm in Brand gesetzt, der trotz des Regens wie Zunder brannte, und schon wenig später ließen herabstürzende brennende Balken, Schindeln und Funken das Kirchendach in Flammen aufgehen.
»Schafft die Pferde hinaus!«, rief Christian.
Obwohl die Hengste der Ritter dafür ausgebildet waren, auch bei Feuer auf die Kommandos ihrer Herren zu hören, waren sie kurz davor, durchzugehen. Stampfend und wiehernd drängten sie sich um Christians Rappen, der bestrebt war, mit seiner Herde aus der Gefahrenzone zu stürmen.
Schon stand das halbe Dach in Flammen, und die ersten brennenden Balken krachten herab ins Kirchenschiff. Mit aller Willenskraft brachte Christian seinen Hengst so weit zur Ruhe, dass er ihn mit schnellen Handgriffen losbinden konnte. Seinen Freunden war inzwischen unter Lebensgefahr Gleiches bei ihren Tieren gelungen.
Nun waren die Pferde nicht mehr zu halten. Christian blieb nichts weiter übrig, als sich auf Radomir zu schwingen und mit ihm an der Spitze herauszupreschen, während er den Hals des sattellosen Tieres umklammerte. Die anderen Pferde folgten, von Angst getrieben.
Lukas und die anderen Männer schafften es derweil gerade noch, die Sattel und den Rest ihrer Habe zu packen, bevor sie ins Freie rannten.
Christian ließ Radomir ein Stück galoppieren und kehrte dann mit den anderen Pferden in weitem Bogen zurück zur Kirche, die inzwischen lichterloh brannte.
Raimund hatte sich eine übel aussehende Brandwunde an der linken Hand zugezogen, seine braunen Locken waren angesengt, die Bliauts von Dietrich und Lukas wiesen ein paar größere Brandlöcher auf, doch ansonsten schienen sie unversehrt.
Erleichtert, dass auch Christian seinen nächtlichen Gewaltritt unbeschadet überstanden hatte, nahmen sie ihm ihre Pferde ab.
Obwohl die Nähe des Feuers die Tiere verängstigte, blieben Christian, Lukas, Raimund und Dietrich bei der Kirche – weit genug entfernt, um nicht von herabstürzenden Balken oder anderen brennenden Teilen getroffen zu werden, aber dicht genug, damit der helle Flammenschein es unmöglich machte, dass sich die Brabanzonen an sie heranschleichen konnten, um das allgemeine Durcheinander für einen Racheakt zu nutzen.
Sollte anfangs noch jemand erwogen haben, Löscharbeiten zu befehlen, so wurde schnell klar, dass dies keinen Sinn hatte. Das Holz war so alt und ausgetrocknet, dass es trotz des Regens wie Zunder brannte und nun beißenden Qualm verbreitete.
Der Kölner Hoyer hatte ein paar Dutzend Männer eingeteilt, sich bereitzuhalten für den Fall, dass die Flammen auf andere Häuser übergreifen sollten. Doch das war nicht nötig, die Katen standen in ausreichendem Abstand.
Als der Morgen graute, waren von der Kirche nur noch ein paar rauchende, verkohlte Balken geblieben, die wie verdorrte schwarze Finger anklagend in alle Richtungen zeigten.
Fassungslos starrte der Pater auf die Überreste seiner Kirche. Vor der Brust hielt er das Altarkreuz umklammert, das er aus dem brennenden Gotteshaus hatte retten können. Dann ließ er sich auf die Knie fallen,
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