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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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immer noch das Kreuz an sich pressend, während Tränen über seine mageren, rußverschmierten Wangen liefen.
    Der Erzbischof, durchnässt und ebenfalls mit Rußflocken auf dem Gesicht und in den ansonsten stets tadellos gepflegten Haaren, ging an ihm vorbei und sagte ein paar Worte, die den Verstörten nicht erreichten. Dann befahl Philipp seinen Männern den Aufbruch.
    »Jetzt habe ich noch eine Antwort«, meinte Dietrich erschüttert, während er die Sattelgurte an Christians Rappen festzurrte. »Gott selbst hat geantwortet. Er duldet nicht, dass jemand, der solch eine ruchlose Rotte heraufbeschworen hat, in Seinem Haus Zuflucht sucht.«
    »Und die Dörfler müssen sich nun das Geld vom Mund absparen, um eine neue Kirche zu bauen«, ergänzte Christian trocken.

Der neue Vogt
    Stöhnend fuhr Albrecht aus dem Halbschlaf hoch. Er schüttelte sich, um das Fratzengesicht zu vertreiben, das ihm vor dem Aufwachen erschienen war, dann sah er sich in dem ihm fremden Raum um. Jetzt erinnerte er sich. Er war in Christiansdorf.
    Genauer gesagt: Er war der Vogt von Christiansdorf. Unwillkürlich machte sich ein Grinsen auf seinem Gesicht breit. Zum ersten Mal in seinem Leben musste er nicht dienen und gehorchen – weder seinem Vater, seinem strengen Großvater und seinem Onkel, die ihn ausgebildet hatten, noch dem König, der erst ein Knabe war. Zum ersten Mal konnte er uneingeschränkt herrschen. Und das nicht nur über ein paar nichtsnutzige Knechte oder Pagen, sondern über das reichste Dorf weit und breit. Das Dorf, das bald ihm allein gehören würde, so wie die ganze Mark Meißen.
    Durch das Fenster drang geschäftiger Lärm zu ihm hoch. Irgendwo dicht unter ihm wurde geklopft und gehämmert, ein paar Hunde bellten, ein Pferd wieherte. Jemand rief lauthals nach einem Peter und ließ alle Mithörer wissen, er werde dem nichtsnutzigen Lümmel schon die Ohren langziehen, wenn er ihn erwische, woraufhin ein mehrstimmiges helles Gelächter ausbrach.
    Jetzt erst wurde Albrecht bewusst, dass es dem Stand der Sonne nach, die er durch die Fensterluke hinter den Wolken erahnen konnte, längst Vormittag sein musste. Er hatte wahrhaftig lange und fest geschlafen, zum ersten Mal ohne diese entsetzlichen Alpträume. Das Fratzengesicht beim Aufwachen konnte er vernachlässigen, das war harmlos im Vergleich zu dem, was ihm sonst den Schlaf und die Seelenruhe raubte.
    Also hatte Christians Weib wirklich die Macht und das Wissen, ihm zu helfen. Das war gut. Und schlecht zugleich, denn damit begab er sich in gewisser Weise in ihre Hände, was ihm überhaupt nicht gefiel. Kein echter Kerl sollte auf ein Weib angewiesen sein, und diesem hier traute er schon gar nicht. Schließlich war er auch hierhergekommen, um ihr heimzuzahlen, dass wegen ihr und dieses Christian sein Bruder doch nicht in ein Kloster weggesperrt wurde.
    Dabei waren die beiden Emporkömmlinge schlimmster Sorte. Eigentlich gehörten sie zu den Bettlern vor der Kirche und nicht unter Leute von Stand. Elmar hatte ihm ein paar interessante Einzelheiten verraten. Aber sein Vater hatte in einem unbegreiflichen Moment der Schwäche dieses Pack zu Edelfreien ernannt. Noch dazu schienen sie ausgemachte Lieblinge seiner Mutter und seines verhassten Landsberger Onkels zu sein, die beide kein Hehl daraus machten, dass sie ihn, Albrecht, für eine Enttäuschung hielten.
    Aber über das Kräuterweib würde er später nachdenken. Wenn sie überhaupt jemals wieder aufwachte. Auf Elmars Rat hin hatte er sie gestern gezwungen, die doppelte Menge von dem Schlaftrunk zu nehmen, die sie ihm zugemessen hatte. Und wenn er von seinem Becher schon fast bis zum Mittag geschlafen hatte, würde sie, schwach und zierlich, wie sie war, ihm sicher nicht so bald vor die Augen treten.
    Jetzt hatte er Dringenderes vor.
    Albrecht stand auf und schlurfte ein paar Schritte, bis er nahe genug an einem Tonkrug war, um beim Urinieren hineinzuzielen. Das helle Geräusch des auftreffenden Strahls machte ihn endgültig wach. Als er fertig war, riss er die Tür auf und brüllte, es solle gefälligst sofort jemand kommen, um ihn zu waschen und Frühstück zu bringen.
    Zwei seiner Reitknechte hielten Wache vor seiner Kammer und begrüßten ihn grinsend. Dass sie ihren Herrn erst um diese Zeit und noch dazu splitterfasernackt zu sehen bekamen, geschah höchstens nach einem gründlichen Besäufnis oder wenn er sich mit seinen Freunden ein paar Huren hatte kommen lassen. Aber Elmars Befehle waren eindeutig gewesen: den

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