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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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wieder Respekt. Was nichts daran ändern würde, dass seine Leute sich die Störenfriede und den Burschen schon bald greifen und sich an ihnen rächen würden. Nur nicht jetzt und hier, direkt unter Philipps krummer Nase. Aber das Moor um Haldensleben war nah … und verschwiegen.
    Christian bemerkte, wie sich der Blick des Rottenführers an Dietrich festhakte, und beschloss sofort, den Jungen keinen Schritt mehr ohne Geleitschutz gehen zu lassen, sollten sie diese Konfrontation hier heil überstehen.
    »Halte besser deine Leute davon ab, die Scheunen und Vorratskammern der Bauern niederzubrennen«, redete er kühl auf den Schwarzbärtigen ein. Mit dem Kopf wies er lässig in die Richtung, wo ein paar Gestalten mit lodernden Fackeln auf die nächste Kate zuliefen. »Aus diesen Dörfern holt Wichmann den Nachschub für die Belagerung, also auch für euch.«
    »Zur Hölle!«, brüllte der Anführer. »Los, mitkommen!«, schrie er seine Leute an, die immer noch standen und überlegten, ob sie sich nun mit Christian und seinen Gefährten schlagen oder lieber nach Beute suchen sollten.
    Verwirrt zogen die Söldner los, um ihre Kumpane am Feuerlegen zu hindern.
    Christian sah ihnen nach, wischte sein Schwert am Ärmel des Geköpften ab und steckte es in die Scheide. Was an Blut schon angetrocknet war, würden die nach oben gerichteten Ziegenhaare abschmirgeln, mit denen die Scheide ausgekleidet war.
    »Das war knapp«, meinte Raimund erleichtert. »Und nun?«
    »In die Kirche. Die Nacht überstehen wir wahrscheinlich nur in unmittelbarer Nähe Philipps.«
    »Ich glaube, nach so viel Gottlosigkeit kann ich sogar dem Gedanken etwas abgewinnen, bei einem Erzbischof unterzukriechen«, stöhnte Lukas. »Mir ist jetzt wirklich nach ein bisschen Frömmigkeit zumute – oder ich kotz mir die Gedärme aus.«
     
    Die alte Dorfkirche hatte sich inzwischen in einen Rastplatz verwandelt. Draußen herrschte finstere Nacht. Prasselnder Regen schlug so heftig auf das Schindeldach, dass es zu einem bedrohlich wirkenden Trommeln wurde. Der gestampfte Lehmboden nahe der Tür begann sich allmählich in einen Morast zu verwandeln.
    In der Mitte des Kirchenschiffs hatte sich der Erzbischof mit seinen engsten Beratern und Bediensteten niedergelassen, ganz in der Nähe lagerten Christian und seine Begleiter. Sie hatten auch ihre Pferde hereingeführt, ebenso wie einige von Philipps Berittenen. Christian hatte darauf bestanden, weil er befürchtete, dass sie sonst am Morgen nur die abgestochenen Kadaver ihrer Hengste vorfinden würden. Es war nichts Ungewöhnliches, dass bei Unwettern oder anderen Katastrophen die Dorfbewohner samt dem Vieh – ihrem wertvollsten Besitz – in der Kirche Schutz und Unterschlupf suchten.
    Von den Dörflern ließ sich nach wie vor niemand blicken außer dem Pfarrer, der mit betretener Miene ganz für sich allein etwas abseits des Bischofs hockte. Seine Haushälterin und ihre Tochter, denen er beim Anmarsch des Heeres befohlen hatte, zu bleiben, waren inzwischen bestimmt zu den anderen Dorfbewohnern in den Wald geflüchtet.
    Christian verteilte den letzten Rest Brot, den ihm Grete, die weißhaarige Marketenderin, vor dem Aufbruch mitgegeben hatte.
    Durch die schmalen Fensterluken konnten sie sehen, wie Blitze immer wieder für einen Augenblick die tiefschwarze Nacht erhellten. Der krachende Donner, der sie begleitete, rückte von Mal zu Mal näher.
    Nach dem kargen Mahl teilten sie die Nachtwache untereinander auf. Christian übernahm die erste Schicht selbst, gemeinsam mit Dietrich. Er ahnte, dass der Junge jetzt sowieso noch nicht zur Ruhe kommen würde. Lukas und Raimund hingegen wickelten sich in ihre feuchten Umhänge und schienen schon bald auf dem Lehmboden eingeschlafen zu sein.
    Gerolf, der Magdeburger, war zu Philipp gerufen worden. Die vier Meißner lagerten für sich allein, doch in nicht mehr als einem Dutzend Schritt Entfernung vom Erzbischof. Ihre Augen hatten sich längst an die Finsternis gewöhnt, in der nur ein paar Kerzen für etwas Licht inmitten flackernder Schatten sorgten. Jetzt entfachten Philipps Leute ein kleines Feuer auf dem Lehmboden. Wer weiß, wo sie trockenes Holz dafür gefunden haben mochten.
    Wieder beleuchteten grelle Blitze das Innere der ärmlichen Kirche, fast gleichzeitig krachte der Donner. Der Dorfpfarrer fuhr zusammen und schlurfte mit hängenden Schultern zum Altar, um niederzuknien und Gebete zu murmeln.
    Dietrich wandte seinen Blick von der erbärmlichen Gestalt ab

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