Die Entscheidung der Hebamme
Schuhmacher ängstlich, von dem jeder wusste, dass er das Geld nicht aufbringen konnte. Tränen rannen über seine Wangen, während zwei Wachen auf ihn zugingen, ihn an den Armen packten und zu dem Pfahl zerrten, der eigens für den Gerichtstag aufgestellt worden war.
Marthe überlegte fieberhaft, wie sie eingreifen konnte, um dem Schuhmacher die Qual und die Schande zu ersparen. Sie hatte so gut wie kein Bargeld mehr im Haus. Die Aufwendungen für Albrechts Gefolge hatten fast alle ihre Reserven an Bargeld aufgebraucht, und Albrecht würde nicht warten, bis sie jemanden gefunden hatte, der ihr etwas borgte.
Da trat schon Jonas vor. »Wenn Ihr erlaubt, Herr, zahle ich die Strafe für ihn«, erklärte er, während der Alte erst recht aufschluchzte, nun vor Erleichterung.
Albrecht musterte den Schmied neugierig, während sich Elmar zu ihm hinabbeugte und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
»Einverstanden«, erklärte er schließlich. »Das kostet aber doppelt so viel. Ich bekomme sechzig Pfennige von dir, Schmied.«
Aufgebrachtes Gemurmel wuchs aus den Reihen der Dorfbewohner, das sofort erstarb, als Albrecht drohend in die Richtung blickte, aus der es kam.
Das Ganze war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Aber gegen die Entscheidung des Vogtes durfte niemand etwas sagen.
Das haben sie von ihrer Feigheit, dachte die kälteschlotternde Marthe und warf einen finsteren Blick auf Josef und Anselm. Wenn sie auf Christian gehört und sich gemeinsam um das Stadtrecht für Christiansdorf bemüht hätten, wäre die Lage eine andere. Stadtbürger durften noch bis eine Meile außerhalb der Stadtmauer auch einen Ritter zum Zahlen seiner Schulden auffordern. Und außerdem würde dann ein Schöppengericht aus zwölf oder vierundzwanzig angesehenen Bürgern die Urteile fällen und nicht ein Burgvogt ganz nach eigenem Gutdünken und Nutzen.
So, wie die Lage derzeit war, konnte sie hier nichts bewirken. Wenigstens war dank Jonas kein Blut geflossen. Vorerst jedenfalls. Irgendwie hatte sie das dumpfe Gefühl, dass es längst nicht vorbei war und Albrecht und Elmar sich für diesen Gerichtstag noch eine ganz besondere Boshaftigkeit ausgedacht hatten.
Wieder richtete Ottos Erstgeborener die Frage an die Menge, ob jemand eine Klage oder Beschwerde vorzubringen habe. Erwartungsgemäß meldete sich nun niemand mehr.
»So gibt es noch einen Diebstahl zu verhandeln«, erklärte Albrecht und gab seinen Wachen einen Wink.
Marthe erstarrte vor Schreck: Zwei Bewaffnete führten den jungen Christian vor den Stuhl des Vogtes und stießen ihn zu Boden, so dass er auf den Knien landete.
Deshalb also sollte sie schon so zeitig hier stehen – damit ihr niemand berichten konnte, dass ihr Schützling von Albrechts Leuten gefangen genommen worden war!
Hastig blickte sie um sich, doch niemand von Peters Bande war zu sehen – außer Anna, die plötzlich dicht hinter ihr auftauchte.
»Mein Bruder fragt …«, begann sie, aber Marthe fiel ihr ins Wort. »Er soll hier für irgendeine Ablenkung sorgen, damit Christian fliehen kann, wenn es nötig wird«, flüsterte sie hastig. »Hat er schon«, wisperte Anna erleichtert zurück.
»Dann lauf rasch zu Bertha und hol sie her.«
Sofort rannte das Mädchen los zum Haus des Bergmeisters, um die Mutter des jungen Christian zu holen.
»Dieser Kerl ist ein Dieb. Er hat einem meiner Getreuen einen Pfennig gestohlen. Dafür wird ihm die rechte Hand abgeschlagen«, verkündete Albrecht.
Entrüstete Stimmen und erschrockene Rufe erschollen aus den hinteren Reihen, während der junge Stallbursche rief: »Das ist nicht wahr! Ich habe nicht gestohlen!«
Das brachte ihm einen so derben Hieb ins Kreuz ein, dass er vornüber in den Schlamm fiel.
Ungerührt zerrten die Wachen den Zwölfjährigen hoch und führten ihn zum Richtblock. Einer umklammerte den rechten Unterarm des Jungen und presste die Hand auf die rauhe Holzfläche, während ein anderer nach der Axt griff und prüfend mit dem Daumen über die Klinge fuhr.
»Schnell, so unternehmt doch endlich etwas!«, drängte Marthe den Kaplan. Hastig zwängte sich Hilbert nach vorn.
»Gnädigster Fürst, bevor Ihr das Urteil vollstrecken lasst, bitte ich Euch im Auftrag der Dame Marthe als ihr Fürsprecher um Euer Gehör.«
Unwirsch sah Albrecht auf den Kaplan. »Und was will uns die Dame Marthe durch Euch mitteilen lassen?«
»Dass sie von der Unschuld dieses Jungen überzeugt ist und Euch um Gnade anfleht.«
»Will sie etwa mich oder einen meiner
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