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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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die meisten wussten oder zumindest ahnten, dass mit diesem hier nicht gut Kirschen essen war. Das ausgebreitete Marterwerkzeug tat ein Übriges, um für ängstliche Stille zu sorgen.
    Doch selbst wenn niemand eine Klage vortrug – Marthe war sicher, Albrecht würde die Versammlung nicht auflösen, bevor er die Gelegenheit ausgekostet hatte, ein paar harte Urteile zu verhängen, die seinen furchteinflößenden Ruf festigten, und bevor er einiges Silber kassiert haben würde.
    Ihre Vorahnung sollte sich bald bestätigen.
    »Nur keine Furcht, Leute!«, rief Albrecht. »Wie mir berichtet wurde, beklagen sich einige von euch heimlich darüber, dass gewisse Lieferungen an die Burgbesatzung nicht bezahlt wurden. Das stimmt doch?«
    Er richtete seinen Blick auf Josef.
    »Stimmt das, Dorfschulze?«, fragte er nun härter.
    Der Tuchhändler schien sich unter den strengen Blicken geradezu zu krümmen. »Nun ja, Herr … gewissermaßen …«
    »Also stimmt es«, fuhr Albrecht zufrieden fort. »Diejenigen, die das betrifft, mögen vortreten und aufzählen, welche Summen ihnen ihrer Meinung nach zustehen.«
    Zunächst wagte sich niemand nach vorn. Dann endlich bahnte sich der Schuhmacher einen Weg durch die Reihen und sank vor dem neuen Burgvogt auf die Knie.
    »Mit Verlaub, Herr, ich habe mehreren Eurer Leute neue Stiefel angemessen, aus feinstem Leder, und noch keinen Pfennig dafür erhalten«, sagte er mit zittriger Stimme.
    »Hm. Sonst noch jemand?«, fragte Albrecht in die Runde.
    Zögernd traten weitere Männer nach vorn und beanstandeten, dass ihre Waren ebenfalls noch nicht bezahlt worden seien: der Gürtler, der Gewandschneider und Josef, der Tuchhändler.
    Ihr werdet euer Geld nicht zu sehen bekommen, dachte Marthe besorgt. Zum Glück zählten nicht auch noch die beiden Schmiede zu den Geprellten. Jonas und Karl waren bisher jedes Mal als Erste in blutige Schwierigkeiten geraten, wenn das Dorf Christians Gegnern in die Hände fiel. Da die Arbeit der Schmiede nicht nur für die Bergleute, sondern auch für die Pferde der Ritter unentbehrlich war, hatte Christian vor der Übergabe der Burgschlüssel in Ottos Beisein abgesprochen, dass die Schmiede für Hufbeschlag oder neue Waffen zu entlohnen seien. Dagegen konnte auch der Sohn des Markgrafen nicht verstoßen.
    Albrecht ließ seine Blicke über die vor ihm knienden Handwerker und Händler wandern.
    »Ich bin entsetzt und erschüttert über so viel Dreistigkeit«, verkündete er kopfschüttelnd, scheinbar fassungslos.
    Dann wurde seine Stimme schärfer. »Das sind Lieferungen, die ihr an die Burg zu leisten habt, so wie jeder Bauer Korn und Eier abzuliefern hat! Und ihr wagt es, dafür Geld zu verlangen?!«
    Den letzten Satz brüllte er und richtete sich dabei halb auf in seinem Stuhl, während die Geprellten vor ihm zusammenfuhren.
    »Wie gesagt, ich bin entsetzt. Solche Frechheit verdient Strafe. Jeder von euch wird mir so viel Silber als Buße zahlen, wie er glaubte fordern zu können.«
    Er winkte ein paar Wachen herbei. »Ihr werdet sie zu ihren Häusern begleiten, damit sie unverzüglich das Geld holen und ihre Schulden bei mir bezahlen.«
    Mit fassungsloser Miene richteten sich die Händler auf, während jeder von einer Wache gepackt wurde.
    Nur der weißhaarige dürre Schuhmacher ließ sich nicht fortzerren. Jammernd warf er sich vor dem Vogt auf den Boden und rang die Hände. »Habt Erbarmen, Herr, Ihr bringt mich an den Bettelstab! Wie soll ich meine Familie satt bekommen, wenn Ihr mir die letzten Pfennige abnehmt?«
    Albrecht musterte den Alten mit undurchdringlicher Miene. »Nur, weil dies mein erster Gerichtstag hier ist, will ich mich gnädig zeigen.«
    Jedermann auf dem Burghof hielt den Atem an, Josef und die anderen drehten sich hoffnungsfroh um.
    »Ich lasse dir die Wahl: Entweder du zahlst, oder du bekommst stattdessen für jeden Pfennig einen Hieb.«
    Entsetzt sah der Alte, wie Albrecht lässig den größten seiner Knechte heranwinkte, der grinsend nach dem Ochsenziemer griff und den Stiel auf seine Hand klatschen ließ.
    »Es war doch sicher besonders feines Leder, das du verwendet hast. Also setze ich die Strafe auf dreißig Pfennige fest – oder dreißig Hiebe«, erklärte Albrecht genüsslich.
    Der Alte sackte in sich zusammen; er war nicht einmal mehr in der Lage, einzuwenden, dass die Stiefel nie und nimmer eine solch hohe Summe gekostet hätten.
    »Wofür entscheidest du dich?«, drängte der Burgvogt.
    »Die Hiebe«, flüsterte der

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