Die Entscheidung der Hebamme
blieben nur die herkömmlichen Mittel, um dafür zu sorgen, dass es dem Markgrafen wieder besser ging. Leider würde dies einige Zeit dauern – eine gefährliche Zeit für alle in seiner Nähe.
»Wann hat Euch der Medicus zur Ader gelassen?«, erkundigte sich Marthe höflich und deutete auf den verbundenen Unterarm.
»Heute Morgen. Aber damit hat er mir nur neue Schmerzen bereitet, statt die alten zu lindern, dieser Scharlatan«, knurrte Otto.
»Meine Ratschläge werden Euch nicht gefallen«, setzte die junge Frau vorsichtig an, während sie das Gesicht des Markgrafen nicht aus den Augen ließ.
Der verdrehte stöhnend die Augen. »Redet endlich! Ihr habt mein Wort, ich werde Euch nichts übelnehmen. Nur sorgt dafür, dass es mir bessergeht.«
»Dann esst weniger üppig, vor allem eine Zeitlang kein Fleisch, und trinkt nur wenig Wein.«
Jäh richtete sich der Markgraf auf. »Was denn sonst? Etwa Körnerfraß und Dünnbier wie das Bauernpack?«
Marthe wich vorsichtig einen Schritt zurück.
»Ihr wolltet meinen Rat«, sagte sie höflich. »Das war er. Ich kann Euch einen Brennnesselsud bereiten und um die schmerzenden Stellen einen lindernden Umschlag wickeln. Aber das wird wenig nutzen, wenn Ihr meinen ersten Rat nicht annehmt. Wenn Euch das nicht gefällt, lasst besser erneut den Medicus rufen.«
Otto sah Hedwigs strengen Blick, der ihn – wie er sofort erkannte – an sein gerade gegebenes Wort mahnen sollte. Lästig, diese Weiber! Aber bedauerlicherweise hatte er geschworen. Also winkte er Marthe mit einer unwirschen Bewegung wieder heran. »Schon gut. Versucht es mit einem Eurer fürchterlichen Gebräue.«
Marthe verneigte sich. »Ich werde sofort alles zubereiten, mein Fürst.«
Voller Sorge ging sie hinaus.
In dieser Angelegenheit konnte sie nur verlieren. Ihre Heilmittel würden kaum etwas bewirken, wenn der Markgraf weiter solche Unmengen Fleisch und Wein vertilgte. Und sie glaubte nicht daran, dass er angesichts der üppig gedeckten Tafeln seinen gewaltigen Appetit zügeln würde.
Hoffentlich musste nicht auch ihr Sohn unter der schlechten Laune des Markgrafen leiden! Der neunjährige Thomas, Christians und ihr Erstgeborener, wurde als Page an Ottos Hof erzogen. Es war ihnen schwer genug gefallen, den Jungen auf den Meißner Burgberg fortzulassen. Er schien ihr noch viel zu klein, um das Elternhaus zu verlassen. Aber so waren eben die Gepflogenheiten. Mit sieben Jahren, wenn die Kindheit offiziell vorbei war, wurden die Jungen aus dem Haus geschickt, um auf das Leben als Ritter vorbereitet zu werden. Sie und Christian hätten sich und auch Thomas nur geschadet, wenn sie das ehrenvolle Angebot Ottos ausgeschlagen hätten, ihren ältesten Sohn an seinem Hof erziehen zu lassen. Für ihr eigenes Überleben und das ihrer Kinder durfte sie nichts tun, das Aufsehen erregte oder gegen die Regeln des höfischen Lebens verstieß. Es war gefährlich genug, dass sie weiter als Wehmutter und Heilerin arbeitete. Einmal hatte ihr das schon einen Kirchenprozess und beinahe den Tod gebracht, und auch jetzt durfte sie ihre Arbeit im Dorf nur unter der Aufsicht des unerbittlichen Paters Sebastian ausüben.
Wenigstens wusste sie, dass Hedwig den Pagen auf dem Burgberg so etwas wie eine Ersatzmutter war und ihre schützende Hand über sie hielt.
War sie anfangs betrübt gewesen, dass Thomas nicht zu denjenigen gehörte, die diesmal Otto und Hedwig zum Hoftag begleiten durften, so fühlte sie sich jetzt eher erleichtert darüber.
»Abscheulich!«, schnaubte der Markgraf, nachdem sie ihm einen Becher Brennnesselsud gebracht hatte.
Marthe verkniff sich jede Bemerkung, kniete nieder und begann, ganz vorsichtig einen warmen Umschlag aus Spitzwegerichblättern um die glasige Zehe zu wickeln.
Anfangs verzog Otto schmerzhaft das Gesicht, doch dann lehnte er sich zurück, schloss die Augen und stöhnte: »Das tut gut.«
Das Hüsteln eines Dieners riss Otto aus seiner Versunkenheit.
»Was gibt es?«, knurrte er, während er den Mann wütend anfunkelte.
»Verzeiht, mein Fürst. Ein Beauftragter des Kaisers wünscht Euch umgehend zu sprechen. Er sagt, es sei dringend«, antwortete der Diener, der tunlichst darauf achtete, außer Reichweite des Markgrafen zu bleiben.
»So dringend, dass ich dafür von meinem Krankenlager aufstehen muss?«, knurrte Otto.
Beinahe ängstlich bejahte der Diener und wich noch einen Schritt zurück, bis er direkt an der Wand stand.
Mit einem deftigen Fluch richtete sich Otto auf.
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