Die Entscheidung der Hebamme
»Ich komme nicht einmal in den Stiefel mit diesem Fuß!«, wütete er und schaute suchend nach etwas, das angemessen war, um einen Abgesandten des Kaisers zu empfangen.
Doch schnell gab er auf. »Was soll’s. Meine Gemahlin ist prachtvoll genug für uns beide gekleidet.«
Jemand reichte ihm die weichen Schuhe aus Filz, die er sich eigens für jene Tage hatte fertigen lassen, an denen ihn die Schmerzen besonders quälten. Dann stemmte er sich ächzend hoch und befahl Hedwig und Marthe, ihm in den vorderen Raum zu folgen, wo er Besucher empfing.
Schnell nahm Marthe den Rest des Sudes an sich, bevor sie ging. Das fehlte noch, dass jemand in ihrer Abwesenheit Gift in Ottos Becher träufelte und man ihr die Schuld gab! Es wäre nicht das erste Mal, dass sie Zeugin eines Giftanschlags auf das Fürstenpaar würde.
Draußen warteten mehrere von Ottos Rittern, darunter auch Christian. In der Mitte des Raumes stand der Beauftragte des Kaisers, ein enger Vertrauter des Marschalls, wie Otto erkannte. Er war ein grauhaariger Mann, dessen Narben und tiefe Falten von einem Leben voller Kämpfe kündeten.
»Es geht um Euern jüngsten Sohn«, eröffnete er ohne Umschweife das Gespräch.
Auf sein Zeichen wurde Ottos Sohn in die Kammer geführt, der nach seinem Oheim benannt worden war, dem Markgrafen der Ostmark. Mit gesenktem Haupt betrat der junge Dietrich den Raum und kniete wortlos in gebührendem Abstand vor seinem Vater nieder.
Hedwig schnappte hörbar nach Luft.
Das schulterlange braune Haar konnte nicht verdecken, dass die linke Augenbraue des Siebzehnjährigen aufgeplatzt, die Wunde kaum verkrustet, die Haut darum angeschwollen und rot und blau verfärbt war. Auch die Rippen und Gliedmaßen mussten ihn schmerzen, erkannte Marthe an den vorsichtigen Bewegungen, obgleich Dietrich versuchte, sich davon nichts anmerken zu lassen.
»Er hat die Hand gegen einen Ritter des Königs erhoben«, verkündete der Vertraute des Marschalls mit eisiger Stimme. »Das macht es unmöglich, dass er als Knappe im Dienst des Kaisers bleibt. Nehmt ihn mit Euch nach Meißen und bestraft ihn nach eigenem Ermessen.«
Ungläubig betrachtete Otto seinen Zweitgeborenen.
»Ist das wahr? Du hast einen Ritter des Königs angegriffen?«, herrschte er ihn nach einem Augenblick quälenden Schweigens an. Dann donnerte er: »Wie konntest du solche Schande über mein Haus bringen!«
Er ließ Dietrich keine Zeit für eine Erwiderung, sondern wandte sich besorgt erneut an den Gesandten des Kaisers. »Wer war es? Der Betreffende verdient eine Entschädigung … Wir werden es wiedergutmachen, so es in unserer Macht steht.«
»Es spielt keine Rolle, wer es war«, entgegnete dieser kühl. »Ein Ritter des Königs – das genügt. Wäre Euer Sohn nicht noch Knappe, hätte ihn dieses Verbrechen die Schwerthand gekostet. Also nehmt ihn auf Eure Burg und bestraft ihn selbst. Das ist das Höchste an Gnade, das wir ihm angesichts seiner Herkunft und seiner Leistungen gewähren können.«
Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, drehte er sich um und verließ die Kammer.
Zurück blieben Marthe und Christian, der immer noch kniende Dietrich, seine Mutter Hedwig und der Markgraf, an dessen Schläfe eine Ader vor Zorn verräterisch zu pulsieren begann.
»Wie konntest du solche Schande über mein Haus bringen!«, brüllte der Markgraf erneut und schüttelte Hedwigs beschwichtigende Hand von seinem Arm. »Welche Schmach! Gegen einen Ritter des Königs! Du …«
Otto suchte nach Worten, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen. Hedwig nutzte die so entstandene winzige Pause.
»Solltest du deinen Sohn nicht zuerst einmal fragen, was geschehen ist?«, fragte sie scheinbar ruhig, aber mit Nachdruck. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so etwas wirklich getan haben sollte … zumindest nicht ohne triftigen Grund.«
Sie sandte Dietrich, der nur kurz aufgesehen hatte, während seine Mutter sprach, einen aufmunternden Blick zu.
»Ja, wer war es? Gegen wen hast du Tölpel in deiner Dummheit gewagt, die Hand zu erheben?!«, wütete Otto.
Ein Anflug von Trotz zeigte sich auf Dietrichs Gesicht, der jedoch schnell wieder verschwand und Resignation wich. Er kannte seinen Vater gut genug, um zu wissen, dass er von ihm kein Verständnis zu erwarten hatte. Vermutlich nicht einmal Gerechtigkeit.
»Albrecht«, sagte er, während er seinen Blick hob und Otto ansah.
Als habe er nicht recht gehört, beugte sich der Markgraf vor.
»
Dein Bruder?
Du hast dich mit
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