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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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letzter Schützling von so hohem Rang, Markgraf Dietrichs Sohn Konrad, hatte den Tag seiner Schwertleite nicht überlebt. Und obwohl es nicht selten vorkam, dass selbst gestandene Ritter bei Turnieren verunglückten, und niemand diesen Vorwurf ausgesprochen hatte, fragte sich Christian Tag für Tag, ob er den jungen Mann nicht noch härter hätte ausbilden müssen.
    »Ihr wisst, dass ich Euch dann auf absehbare Zeit nicht mehr zu den Hoftagen mitnehmen kann«, knurrte der Meißner Markgraf. »Und dass der schlechte Leumund dieses Versagers« – wütend blickte er zu seinem Sohn – »unweigerlich auf Euch zurückfallen würde?«
    Natürlich hatte Christian diesen Einwand erwartet. Doch er konnte und wollte den Siebzehnjährigen, der seine ganze Kindheit und Jugend hindurch von einem Leben als Ritter geträumt hatte und die Ideale dieses Standes ehrlichen Herzens zu leben versuchte, nicht dem Schicksal ausliefern, das ihm sein Vater zugedacht hatte.
    »Mit der Zeit wird Gras über die Sache wachsen«, erklärte er ruhig, während er Marthes erleichterten Blick auf sich gerichtet wusste. »Und in Dorf und Burg gibt es mehr als genug für mich zu tun.«
     
    Alle im Saal starrten wie gebannt auf Otto. Der ließ sich genüsslich Zeit, seine Entscheidung zu verkünden.
    Im Grunde genommen fühlte er sich nicht abgeneigt, Christians Vorschlag anzunehmen. Sein Sohn wäre damit erst einmal aus den Augen des Kaisers und der anderen hohen Adligen, ohne dass er ihn an die Kirche abtreten musste.
    Krieg stand bevor. Es konnte nicht schaden, mehr als einen Sohn zu haben, der gegebenenfalls auch eine militärische Einheit kommandieren konnte. Vielleicht sollte er Dietrich sogar schneller als geplant zum Ritter machen – wenngleich natürlich in aller Stille und ohne Festlichkeit mit vielen hohen Gästen. Im Krieg mochte der Junge seine verlorene Ehre wiederherstellen.
    Doch allzu leicht wollte er es denen nicht machen, die nun vor ihm knieten. Je länger sich Dietrich vor dem Leben hinter Klostermauern fürchtete, umso gründlicher würde er lernen, seinem älteren Bruder den Respekt zu erweisen, den er ihm schuldete.
    Und den Triumph über Hedwig wollte er bis zur Neige auskosten.
    »Ich werde heute Nacht darüber nachdenken«, verkündete er schließlich mit vielsagendem Blick auf Hedwig.
    Mit einer Handbewegung entließ er Marthe, Christian und seinen Sohn. Dann bot er seiner Frau die Hand, um ihr aufzuhelfen.
    »Folgt mir, meine Gemahlin«, meinte er mit kaltem Lächeln, und ein eisiger Schauer fuhr durch Hedwig.
    Früher hatte sie das Bett benutzt, um Otto in ihrem Sinne zu lenken. Ein schlechtes Gewissen hatte sie deshalb nie empfunden. Warum auch, wo es doch kaum andere Möglichkeiten für eine Frau gab, Einfluss auf ihren Mann zu nehmen. Auf diese Art hatte sie letztlich nicht nur vielen Unschuldigen Leid, sondern auch ihrem Gemahl so manche Fehlentscheidung oder gar Blöße erspart.
    Doch diese Zeiten waren längst vorbei. Otto war mit den Jahren immer mürrischer und abweisender geworden. Und nachdem sie Dietrichs Liebe kennengelernt hatte, glaubte sie, die im Vergleich dazu grobe Besitznahme durch ihren Mann nicht mehr ertragen zu können.
    Das Problem, wie sie eine Schwangerschaft erklären sollte, seit Otto sie nachts nicht mehr aufsuchte, hatte sie bisher verdrängt. Sie war einfach nur froh gewesen, dass ihr seine plumpen Zudringlichkeiten erspart blieben.
    Doch sein Blick gerade eben war unmissverständlich. Zweifellos wusste Otto, wie sehr sie mittlerweile seine ehelichen Zuwendungen verabscheute. Nicht Begehren, sondern reine Rachsucht trieb ihn jetzt, seine Überlegenheit auszunutzen. Voller Angst fragte sie sich, wie sie ihrem Sohn zuliebe diese Nacht überstehen sollte, ohne ihren Widerwillen zu verraten.
     
    Als sich Otto endlich zur Seite wälzte, um auf der Stelle einzuschlafen, flüchtete Hedwig mit einem Satz aus dem Bett und begann zu würgen.
    Zitternd vor Kälte und Übelkeit, griff sie nach ihrem Umhang, wickelte sich hinein und kauerte sich mit angezogenen Knien in eine Ecke. Dort betete sie, dass ihr Mann lange und tief genug schlief, um ihr Verschwinden nicht zu bemerken.
    Wenn sie Glück hatte, konnte sie sich am Morgen schon angekleidet und gekämmt zeigen, wenn er aufwachte. Er sollte sie nicht noch einmal berühren. Und niemand durfte wissen, dass die Markgräfin von Meißen die ganze Nacht auf dem Fußboden verbracht hatte wie die niedrigste Magd.
     
    Während Hedwig frierend und

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