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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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gleich weiter. »Krank zu werden, ist kein Versagen. Sonst hättest du dich damals für einen ziemlich schlimmen Versager entschieden, als wir uns in Raimunds Hütte des Wilden Mannes versteckt hielten.«
    Ein wehmütiges Lächeln spielte um ihre Lippen angesichts seiner Worte und der damit verbundenen Erinnerungen.
    Zwölf Jahre war es her, als sie ihn von den Folterwunden und dem brennend heißen Fieber geheilt hatte, mit dem ihn seine Freunde aus Randolfs Kerker befreit hatten. Und dann war sie nachts zu ihm gekommen, hatte sich ihm geschenkt, weil niemand wusste, ob sie den nächsten Tag überleben würden. Damals, unmittelbar vor einem Kampf auf Leben und Tod, hatte er sie gebeten, trotz aller Standesunterschiede seine Frau zu werden.
    Er würde nie eine andere als Marthe wollen. Sie war außergewöhnlich: warmherzig, mutig und mit besonderen Gaben gesegnet. Doch gerade das brachte sie immer wieder in Gefahr. Er würde jederzeit sein Leben geben, um sie zu schützen, sie noch mit seinem letzten Tropfen Blut verteidigen. Wenn er sich auch ein Leben ohne Marthe nicht vorstellen konnte – sie brauchte ihn noch mehr, als Halt gegen die bösen Stürme, die sie anwehten.
    Ihr wehmütiges Lächeln erlosch.
    »Vielleicht hätte ich Adela retten können«, sagte sie leise. »Doch sie hat mich nicht eingelassen, weil sie mich hasste. So habe ich es nicht gewagt, mir durch Friedmar oder Reinhard Zutritt verschaffen zu lassen, an Pater Sebastian vorbei …«
    An jedem anderen hätte sich Marthe vorbeigekämpft, um mit ihrer Heilkunst Leben zu retten, zur Not sogar mit Hilfe seiner Ritter; das wusste Christian. Aber nicht an Sebastian vorbei. So tief saß ihre Furcht.
    »Bei dir liegt keine Schuld«, redete er auf sie ein. »
Sie
hat sich entschieden. Und dann gefiel es Gott, sie zu sich zu rufen.«
    Seine Stimme wurde mit einem Mal streng. »Wage es nicht, öffentlich über Gottes Willen zu hadern! Sie könnten dir einen Strick daraus drehen.«
    Sanft strich er ihr über die Wange. »Sieh zu, dass du schnell zu Kräften kommst. In ein paar Wochen sollen wir den Markgrafen zum Hoftag begleiten. Oder willst du dir etwa den Anblick entgehen lassen, wie sich der Löwe dem Kaiser reumütig zu Füßen wirft?«

November 1181 in Erfurt: Der tiefe Fall
    Marthe blieb ausreichend Zeit, gesund zu werden bis zu jenem denkwürdigen Hoftag, an dem sich Heinrich der Löwe dem Kaiser bedingungslos unterwerfen sollte. Das von vielen mit Genugtuung, Zufriedenheit oder Häme erwartete Ereignis ließ länger auf sich warten als gedacht.
    Beim Reichstag in Quedlinburg geriet der Löwe in so heftigen Streit mit Hedwigs Bruder, dem neuen Herzog von Sachsen, dass sämtliche Verhandlungen zu seiner Sache abgesetzt wurden. So wurde er aufgefordert, Mitte November in Erfurt vor dem Kaiser und den Fürsten zu erscheinen, um das Urteil entgegenzunehmen.
    Wichmann, trotz seiner langjährigen Auseinandersetzungen mit dem Welfenfürsten auch ein Mann des Ausgleichs bei schwierigsten Verhandlungen, erklärte sich bereit, den Geächteten zum Hoftag zu geleiten.
    Für den Meißner Markgrafen war diesmal kein Weg zu weit und kein Wetter zu widrig, um den Löwen vor dem Kaiser im Staub liegen zu sehen. Angesichts der Novemberkälte wies er an, dass der Christiansdorfer Vogt diesmal wieder gemeinsam mit seiner Gemahlin ihn, seinen Sohn und die Fürstin Hedwig nach Erfurt begleiten solle.
    Also packte Marthe, körperlich wieder genesen, mit Johannas und Claras Hilfe einen großen Vorrat an Arzneien in einen Korb, um unterwegs für das Wohlergehen Ottos und das seiner Gefolgsleute zu sorgen.
    Sie selbst zog ihr wärmstes Wollkleid an, auch wenn es eigentlich viel zu schlicht war für den Hof des Markgrafen, und hüllte sich in ihren dunkelsten Umhang. Sebastians hasserfüllte Angriffe hatten in ihr alte Ängste wieder so heftig aufleben lassen, dass sie sich am liebsten unsichtbar gemacht hätte.
    Doch Christian erhob Einspruch gegen ihre einfache Gewandung und bestand darauf, dass sie ihre kostbarsten Kleider und den pelzverbrämten Umhang trug, den er ihr geschenkt hatte. Wortlos und mit gesenktem Kopf nahm sie seine Ermahnung entgegen. Er hatte ja recht, wenn er sagte, teure Kleider würden ihren Stand anzeigen und sie schützen. Aber wenn sie sich doch am liebsten vor aller Welt verkrochen hätte!
     
    Markgraf Otto zeigte sich auf der Reise zum Hoftag in Erfurt ausnehmend gut gelaunt angesichts des zu erwartenden Schauspiels.
    Doch Marthe wurde wieder von

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