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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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vorher abgesprochen und in langwierigen Verhandlungen ausgehandelt«, versicherte Lukas Marthe. »Der Löwe wirft sich ihm zu Füßen, und der Kaiser hebt ihn unter Tränen wieder auf. Nur, was die beiden daraus gemacht haben, war wohl ein besonderes Schauspiel. Eines, von dem die Menschen vielleicht noch in hundert Jahren berichten werden – und jeder wird etwas anderes erzählen.«
    »Sollen sie! Für mich zählt nur eines: Endlich ist Frieden!«
    Christian hob seinen Becher. »Auf ruhigere, auf glückliche Zeiten!«
    Die anderen taten es ihm gleich und tranken ihm zu.
    Marthe erwiderte Christians Lächeln und rutschte ein winziges Stückchen näher an ihn heran, während er mit seiner linken Hand verstohlen zärtlich über ihren Nacken fuhr.
    Sie erkannte an seinem Gesicht, dass er schon Pläne machte – nicht nur für diese Nacht, sondern für sein Dorf, das nun im Frieden gedeihen sollte.
    Jetzt, da der Krieg zu Ende ist, muss er vielleicht nicht mehr so lange fort, dachte sie und versuchte, ihre tiefsitzenden Ängste zu begraben, wie lange ihnen wohl noch gemeinsames Glück beschieden sei.
    Doch merkwürdigerweise fiel ihr ausgerechnet in diesem Moment ein Ausspruch ein, den Christians alte Ziehmutter einmal geäußert hatte: Seit wann ist es je dort ruhig gewesen, wo du auftauchst?
    In dieser Nacht liebte Christian sie mit einer Leidenschaft, die unerschöpflich schien. Es war schon kurz vor dem Morgengrauen, als sie endlich zum Schlafen kamen.
    Nicht für lange. Denn gleich nach der Frühmesse ließ der Meißner Markgraf den Christiansdorfer Vogt und dessen Gemahlin zu sich rufen.
    »Es ist vollendet. Der Löwe muss in die Verbannung«, verkündete er mit seiner weittragenden Stimme. »Jetzt werden neue Verhältnisse im Land einziehen. Die Schachfiguren werden neu aufgestellt. Christian, richtet alle Kraft auf den Bergbau! Schafft mir Silber! Und dann zieht aus und holt Juden nach Christiansdorf, die Handel in ferne Länder betreiben. Sie sollen Geschmeide, Seide, kostbare Gewürze und edle Duftwässer für meinen Hof herbeibringen! Meine Gemahlin will ich mit feinsten Gewändern schmücken, schön wie eine Kaiserin! Wenn ich schon nicht der mächtigste Fürst im Kaiserreich bin, so will ich wenigstens der reichste Fürst sein.«

VIERTER TEIL
    Das Blutopfer

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    Pfingsten 1184 in Mainz
    S prachlos vor Staunen, schlenderte Marthe an Christians Seite über die Wiesen am Rhein. Obwohl genau genommen von Schlendern in diesem Gewimmel kaum die Rede sein konnte.
    Zu Tausenden drängten sich die prächtig gekleideten Menschen auf der Ebene zwischen Mainz und dem Palast von Ingelheim, wo der Kaiser am Rheinufer eine ganze hölzerne Stadt hatte errichten lassen, sogar mit einem Kaiserpalast und einer Kathedrale.
    Menschen schoben sich aneinander vorbei, linker und rechter Hand bahnten Bewaffnete mit lautem Rufen den Weg für ihre hohen Herren, und wer nicht so prachtvoll gekleidet war, dass er schon von weitem als jemand von vornehmem Stand zu erkennen war, musste damit rechnen, mit einem rüden Schubs beiseitegedrängt zu werden.
    Ein solches Fest hatte die Menschheit noch nicht gesehen.
    Der Kaiser hatte die Großen seines Reiches und die Könige der christlichen Welt eingeladen, um mit ihnen die Schwertleite seiner Söhne Heinrich und Friedrich zu feiern.
    Fast alle Fürsten des Kaiserreiches – ob weltlich oder geistlich – waren gekommen, hohe Gäste aus vielen Ländern, alles, was Rang und Namen hatte. Sie trugen Gewänder aus kostbarster morgenländischer Seide, mit teuren Pelzen verbrämt und mit Edelsteinen geschmückt, ihre Zelte waren mit farbenprächtigen Stickereien und goldenen Fäden verziert.
    Vierzigtausend Ritter sollen angereist sein, hieß es; mancher behauptete sogar, es seien siebzigtausend. Angesehene Dichter und Sänger erfreuten die Herbeigereisten mit ihrer Kunst und wurden dafür mit prachtvollen Gewändern, Gold und Silber belohnt.
    Und während die ranghöchsten Gäste im Palast gemeinsam mit dem Kaiser tafelten, waren für die Ritter Hunderte Tische am Rheinufer aufgestellt, die sich zum Festmahl beinahe bogen von der Menge üppiger Speisen: mit erlesenen Spezereien gewürztes Wildbret, Unmengen an Rind und Schaf, Schwein und Geflügel, fremdartige Früchte aus fernen Ländern, die Marthe noch nie zuvor gesehen, geschweige denn gekostet hatte.
    Von den Kochstellen am Rand des Festgeländes drangen schon wieder dichte Rauchwolken zu ihnen herüber und überdeckten alle anderen

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