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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Vergangenheit in dieses wilde Gemälde. Nur eine Stimme, ausgerechnet jene, nach der er sich am meisten sehnte, die erklang nie.
    Dafür wurde das Feuer zu neuem Leben erweckt, die Flammen wüteten, verwandelten sich in blondes Haar, langes blondes Haar, aus dessen Mitte sich ein Frauengesicht formte. Der Anblick schmerzte, schmerzte unerträglich. Denn die Frau war ergriffen von Furcht, Todesfurcht, ihre Lippen waren geöffnet, erstarrt in einem Schrei, der jedoch nicht der Kehle entwich. Es war unerträglich, sie so zu sehen. Diese Frau, die er wahnsinnig liebte, mehr als sein eigenes Leben.
    Und abermals kam die Stille über ihn, langsam, kalt, gefolgt von der Finsternis, in deren Zentrum die runden Augen prangten wie Himmelskörper, die all ihre Leuchtkraft verloren hatten. Anders war jetzt nur, dass er Widerstand in sich spürte, als hätte er eine letzte Kraftreserve, eine letzte Faser Lebendigkeit entdeckt. Die Augen hoben sich empor, starrten dabei weiter auf ihn herab. Erst in diesem Moment erkannte er, dass es eine Krähe war, die ihn so unverwandt musterte, eine auffallend große Krähe.
    Er blinzelte, seine Lider brannten, er sah dem Vogel hinterher, der dieses schneidende Krächzen ausstieß. Schnaufend wälzte er sich auf die Seite und sein Blick fiel auf den Brunnen des Hofes.
    Endlich, wie nach einer langen Reise durch einen tobenden Sturm, ein Moment der Klarheit.
    Ja, der Brunnen. Wie kam er hierher? Er war doch direkt vor dem Hauptgebäude zu Boden gesunken – und getötet worden. Oder war er etwa nicht tot? Oder gar von den Toten auferstanden? Hatte ihn jemand an diesen Ort geschleift? Hatte er sich selbst hierher geschleppt, ohne sich dessen bewusst zu sein, im Delirium? Erneut beobachtete er die Krähe, die sich auf ihren Schwingen forttragen ließ, weit über die Dächer des Petersthal-Hofes, bis sie sich in Luft aufzulösen schien. Er zeigte ein wildes, herauforderndes Grinsen, auch wenn es niemand sehen konnte, ein Grinsen wie früher, wenn er in die Schlacht gezogen – oder mit heiler Haut aus ihr hervorgegangen war. Mühevoll kroch er zum Brunnenrand, an dem er sich nach oben stemmte. Sein rechter Arm tat unerträglich weh, sein Schädel bestand aus einem dumpfen Pochen, in der Brust dagegen fühlte sich alles merkwürdig taub an.
    Erschöpft rang Norby nach Luft. Er musste sich regelrecht zwingen, mit der linken Hand, nur wenig unterstützt von der angeschlagenen rechten, einen Eimer Wasser mit der Winde aus der Tiefe nach oben zu ziehen. Der Geschmack von Blut auf der Zunge, der Geruch von Blut in der Nase. Er keuchte. Ehe er trank, musterte er sein Spiegelbild auf der glänzenden Wasseroberfläche. Die Schramme auf dem Wangenknochen. Hier hatte ihn der Schlag des dritten Mannes getroffen.
    Dieser dritte Mann. Warum hatte er erst so spät in die Auseinandersetzung eingegriffen? War er von einem Spähritt zurückgekommen? Gut möglich. Die Fremden hatten den Hof verlassen vorgefunden und abgewartet. Auf wen oder was auch immer. Norby sah alles vor sich, die Wolke aus Pulverqualm, die schwarzen Schatten, die Faust, an der etwas glitzerte. Wie Gold.
    Er trank.
    Es war ein Ring, ein Goldring. Er schloss die Lider, konzentrierte sich, rief sich die Einzelheiten in Erinnerung. Der Unbekannte hatte einen schweren Ring getragen, der jeden Hieb noch schlagkräftiger gemacht hatte. Unwillkürlich öffneten sich Norbys Augen. Er kannte diesen Ring.
    Nicht den Ring an sich, jedoch das auffällige Symbol, das das Schmuckstück zierte: zwei Fische, sich spiegelnd, nach oben gerichtet, als würden sie gerade aus dem Wasser hinaus in die Luft springen. Er war sich ganz sicher. Auch wenn es lange Zeit her war, seit er zuletzt dieses Zeichen betrachtet hatte. Eine lange, lange Zeit.
    Der Himmel über ihm war makellos blau. Also hatte er wohl den Abend und die komplette Nacht durchgeschlafen, in dumpfer Ohnmacht, jetzt jedenfalls war es Morgen, früher Morgen, wie der Stand der Sonne zeigte.
    Ein erneutes Krächzen riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte nach oben, aber die Krähe war seltsamerweise nicht zu entdecken. Dabei schienen ihre Schreie ganz aus der Nähe zu kommen.
    »Danke«, rief Norby in die Menschenleere, die ihn umgab. »Dafür, dass du Wache gehalten und mich geweckt hast, du sonderbarer Vogel.« Und leiser fügte er an: »Ohne dich und deine rätselhaften Erzählungen wäre ich wohl nie wieder aufgewacht.«
    Er trank noch einmal. Das Wasser, klar und frisch, schmeckte besser als der

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