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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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köstliche Wein, der nicht weit von hier angebaut wurde. Erschöpft sah er an sich herab. Der Stoff des rechten Ärmels war zerfetzt, von Blut verkrustet. Auch auf der Brust dunkles getrocknetes Blut, doch erstaunlich wenig davon. Die Degenklinge war in dem gleichen Winkel aus seinem Körper gezogen worden, wie sie eingedrungen war; oberflächlich nur eine winzige Verletzung, die aber sehr tief sein konnte.
    »Vielleicht bist du ja doch tot«, murmelte er.
    Auf wackligen Beinen schleppte er sich zum Haus, vor seinen Augen verschwamm alles, er hörte die eigenen Schritte wie von ferne. Tief sog er die Luft ein, er musste innehalten – und dann sank er auf die Erde, wo er flach liegen blieb. Seine Lider fielen zu, er lauschte seinem Atem.
    Auf einmal ertönte ein anderes Geräusch, scheinbar laut und leise gleichzeitig, ein Trommeln, das Norby dazu brachte, den Kopf zu heben.
    Sein Pferd.
    Ja, es war Hugo. Der Hengst trabte auf ihn zu, wurde langsamer, hielt schließlich inne und tänzelte auf den Hufen. Wahrscheinlich war das Tier erschrocken davongaloppiert, als der Schuss gefallen war, und hatte sich seitdem im Verborgenen aufgehalten, scheu und vorsichtig.
    »Bist ein schlauer Bursche«, raunte Norby dem Tier zu.
    Er kämpfte sich auf die Beine und musste sich am Hals des Pferdes festhalten. Eine Ewigkeit schien es zu dauern, bis es ihm gelang, sich in den Sattel zu heben. Er trieb Hugo an, doch erneut schwanden ihm die Sinne. Er sank nach vorn, krampfte die Finger der Linken in die Mähne des Pferdes, gleich darauf war alles schwarz um ihn.
    Das nächste Mal wurde er nicht vom Krächzen einer Krähe geweckt, von gar keinem Geräusch – eher durch die Grabesstille.
    Seine Hand suchte nach dem borstigen Pferdehaar, griff jedoch ins Leere. Allmählich begriff Norby, dass er auf dem Rücken lag. Nicht etwa auf der nackten Erde, sondern auf einem Tisch, auf dem Stroh ausgebreitet worden war. Über ihm rissige dunkle Balken einer Decke. Rechts von ihm ein alter Schrank. Er befand sich in einem kleinen schmucklosen Zimmer, das ihm fremd war.
    Das Quietschen einer Tür, das Klacken von Absätzen, das sich dem Raum zu nähern schien.
    Norby glitt vom Tisch. Verdutzt bemerkte er die Verbände – einen am rechten Arm, einen weiteren um seinen nackten Oberkörper. Mit den Fingerspitzen betastete er den angeschlagenen Wangenknochen, und er fühlte die Salbe, mit der man die Wunde versorgt hatte.
    Die Zimmertür wurde aufgestoßen, ein Mann betrat den Raum. Erleichterung machte sich auf dessen Gesicht breit, als er den Schweden aufrecht dastehen sah.
    »Einige hätten nicht gedacht, dass du dem Teufel noch mal ein Schnippchen schlägst«, sagte Hermann Lottinger.
    Norby grinste. »Der muss etwas länger auf meine arme Seele warten.«
    »Dir geht es besser?«
    »Ehrlich gesagt, ich weiß nicht recht … Immerhin scheine ich tatsächlich noch am Leben zu sein. Wie komme ich hierher?«
    »Mein Sohn rannte ganz aufgeregt zu mir aufs Feld. Er meinte, Nils Norby wäre gerade an ihm vorbeigeritten – mausetot.«
    Sie lachten.
    »Nun ja«, fuhr Lottinger fort, »das musste ich mir natürlich ansehen. Ich fand dein Pferd am Gänsebach. Du lagst daneben im Gras. Ich brachte dich hierher. Meine Frau hat sich um dich gekümmert und dir eine Paste aus Arnika und Schafsfett auf die Wunden gestrichen – ich weiß, dass ihr das von deiner Frau beigebracht worden ist. Tja, und ich verlor keine Zeit und schaffte Herrn Kupferstein heran.«
    »Kupferstein? Dann ist es wirklich ein Wunder, dass es mit mir noch nicht vorbei ist.«
    Wieder lachten sie. Kupferstein war ein Medicus, wurde aber von allen nur als Knochenpfuscher bezeichnet, was eher seinen ärztlichen Fähigkeiten entsprach.
    »Bei dir hat er sich allerdings Mühe gegeben, Norby.« Lottinger machte eine anerkennende Geste. »Du hast eine tiefe Stichwunde in der Brust. Von einem Degen, stimmt’s? Dein Dickschädel hat einige Schläge eingesteckt – und dein Arm sieht böse aus.«
    »Das war ein Schuss. Aus ziemlicher Nähe. Zum Glück hat der Knochen anscheinend nichts abbekommen. Jedenfalls fühlt es sich so an. Ich habe schon gesehen, dass Kugeln Oberschenkelknochen zerbersten ließen wie morsches Holz.«
    »Kupferstein sagte, wenn der Degen deine Lunge erwischt hätte, könnte er nichts mehr für dich tun. Und auch sonst niemand.«
    Norby hob kurz die Schultern. »Ich hatte wohl Glück.« Er setzte sich auf den Tisch.
    »Hier hat Kupferstein an dir herumgeflickt. Anschließend

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