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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Gassen senkende Dunkelheit. Stimmen hallten aus der Gaststube, dröhnendes Gelächter, das sich mit giftigen Wortgefechten und trunkenen Gesängen abwechselte. Sie wurde von einem Gefühl der Unsicherheit erfasst und musste an den Vorabend denken, als sie diesen Fronwieser in unmittelbarer Nähe wahrgenommen hatte, bedrohlich, von Finsternis umhüllt. Und sie erinnerte sich an den Blick, mit dem Lorentz Alwine bedacht hatte, als sie am Schandpfahl den Gemeinheiten der Passanten ausgesetzt gewesen war.
    »Ist dir ein Mann bekannt, der Lorentz Fronwieser heißt?« Sie wandte sich wieder der jungen Frau zu – die Frage war ganz unwillkürlich über Berninas Lippen gehuscht.
    Alwine hob gleichmütig die Schultern. »Der Kerl, dem das halbe Bein fehlt? Wie so viele hat ihn der Krieg zu einem Verlorenen gemacht, der ums nackte Überleben kämpft.« Mitleid schwang in ihrem Worten mit. Und sie setzte hinzu: »Den kennt eigentlich jeder, der läuft einem dann und wann über den Weg.«
    Bernina kam es vor, als würde Alwine ihr ausweichen. War ihr das Thema Lorentz Fronwieser nicht recht?
    »Und dir? Läuft er dir öfter über den Weg?«, fragte sie trotzdem weiter.
    »Ach, was heißt ›öfter‹? Tagsüber durchstreift er die Gassen, und abends taucht er meistens in Kaschemmen wie dem Grünen Horn auf, diesem dunklen Loch.« Betont schloss sie: »Du kannst mir glauben: Ich habe nichts mit Lorentz zu tun.«
    Erneut setzte sich Bernina neben sie, Baldus aufmerksamen Blick auf sich spürend. »Das Grüne Horn?«
    »Ja. Eine üble Spelunke in einer üblen Gegend. Hintere Wolfshöhle . So nennt man dieses Viertel. Und von da h ält man sich besser fern.«
    Bernina geriet ins Grübeln. Deshalb hatte ihr bislang also niemand Auskunft geben können. Nicht nur dass das Horn weder silbern noch golden war, es handelte sich wohl um einen Gaunerschuppen. Was wiederum noch verwirrender war: Schließlich passten Bücher keineswegs an einen solchen Ort.
    Mit knappen Worten erkundigte sie sich bei der jungen Frau, ob sie etwas über eine Auktion wisse, aber Alwine verneinte. Anschließend ließ Bernina sich von ihr den Weg zum ›Grünen Horn‹ beschreiben.
    »Sie wollen doch nicht etwa dorthin?«, erkundigte sich die junge Frau. »Eine anständige Dame wie Sie?«
    »Doch.« Bernina nickte kaum merklich. »Genau das ist meine Absicht.«
    »Ich könnte Sie führen«, schlug Alwine vor, und Bernina entging nicht die Zurückhaltung, die in der Stimme mitschwang. »Andererseits … Es wäre nicht sehr vorteilhaft für Sie, in meiner Gesellschaft gesehen zu werden. Außerdem … «
    »Lass nur gut sein«, unterbrach Bernina sie. »Es scheint mir, als könntest du ein wenig Erholung brauchen. Ruh’ dich aus.« Sie deutete zur Tür. »Du siehst den Eisenriegel. Der ist zwar ziemlich verrostet, aber er wird unerwünschte Besucher aufhalten. Wenn ich zurück bin, klopfe ich viermal. Dann machst du auf. Verstanden? Erst beim vierten Mal.«
    »Selbstverständlich.« Alwine nickte. »Und bevor ich es vergesse: Danke für die Gastfreundschaft. Und das Essen.«
    Bernina wandte sich an ihren Knecht, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte. »Was ist mir dir Baldus? Du bist dabei?«
    »Sicher, sicher, bin ich das. Allein schon deshalb, weil ich Herrn Norby nie wieder unter die Augen treten könnte, ließe ich Sie auch nur für einen Wimpernschlag allein.«
    Ohne Verzug brachen sie auf, zwei Gestalten, die sich von der Dunkelheit schlucken ließen, die zusehends dichter wurde. Die Stadttore waren geschlossen worden, der Geräuschpegel aus den umliegenden Wirtshäusern ließ nach mit jedem Schritt, den sie vorankamen. Sie hielten sich genau an Alwines Wegbeschreibung. Von ihren bisherigen Besuchen in Freiburg kannte Bernina jene Straßen nicht, die sich nun vor ihnen auftaten.
    Keine Fackel brannte, kein Fetzen Helligkeit flirrte durch die Fenster. Es war ein schäbiges Viertel, das sich gleich unterhalb des Burgbergs an die Stadtmauer presste, als versuchte es, sich zu ducken. Kleine Gärten, lichtlose Höfe, verdreckte Gassen. Mitten in der Wolfshöhle befanden sie sich inzwischen, ein Name, der wohl aus den Tagen stammte, als noch wilde Tiere um den Schlossberg streiften – und der bestens passte. Es war tatsächlich, wie eine Grotte zu durchwandern.
    Auf einmal doch ein Schimmern von zerbrechlichem Licht, das aus winzigen quadratischen Fenstern quoll. Ein tiefer Giebel drückte sich auf schiefes Fachwerkgemäuer.
    »Das muss es sein.« Berninas

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