Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Ferdinand II. gehörten.«
Bei jeder weiteren blumigen Umschreibung gingen Berninas Augenbrauen in die Höhe. Es empfahl sich wirklich nicht, die Worte dieses Herrn für bare Münze zu nehmen. Dann gehörte ihre Aufmerksamkeit wieder Fronwiesers Begleitern. Ohne viel Aufhebens zu machen, verließen sie die Auktion, schleichende Schemen, die sich durch eine Seitentür in Luft auflösten.
Gebote waren eher die Ausnahme, die Geldsummen gering. Einmal ersteigerte der vornehme Herr in Dunkelbraun zwei Bände, die vom Auktionator eher nebensächlich behandelt wurden. Rasch und im Flüsterton ging das Geschäft über die Bühne, die Ware wurde sofort übergeben.
Dann kamen Holzschnitte und Stiche auf den Tisch, die bis ins lebhafteste Detail gewisse Handlungen von Herren mit Küchenmädchen, von Damen mit ihren Kutschern oder Gärtnern zeigten. Und erst jetzt kam Leben in die Menge. Zahlreiche Gebote und Kommentare, etliche hinausgeplärrte Zoten, die mit Gelächter belohnt werden.
Es dauerte nicht lange, bis der Herr in Dunkelbraun sich zurückzog, genauso unauffällig, wie er erschienen war. Von Lichtenfels strahlte inzwischen vollauf zufrieden, ebenfalls der Wirt, der zur Kenntnis nahm, dass mit den anstößigen Werken neuer Bierdurst Einzug hielt.
Bernina hatte genug gesehen. Sie entschied, dass es keine Veranlassung gab, noch mehr Zeit an diesem Ort zu verschwenden. Reichlich ernüchtert machte sie sich mit Baldus auf den Rückweg, den sie schweigend zurücklegten, über ihnen die Sichel des Mondes.
Bald ragte der Gasthof still und dunkel vor ihnen auf. Die Eingangspforte war abgeschlossen. Es war Bernina nicht aufgefallen, wie spät es geworden war. Sie gingen zur Hintertür, die sich ohne Schwierigkeiten öffnen ließ. »Glück gehabt«, murmelte Baldus.
Der lange dunkle Gang; es roch nach Vieh und dem Kraut, das tagsüber gekocht worden war. Nur ein paar Schritte, dann das verabredete Klopfzeichen. Die Tür öffnete sich und eine Talgkerze warf einen Kreis aus milchigem Licht. Bernina und der Knecht schlüpften ins Innere, Alwine schloss die Tür hinter ihnen.
Abrupt blieb Bernina stehen.
Um sie herum die Umrisse dunkler Gestalten.
Von Berninas Schlafstelle erhob sich ein Mann. Er grinste sie mit geradezu lüsterner Bösartigkeit an, gestützt auf eine Krücke, und präsentierte dabei seine Zahnlücken. In seiner freien Hand ruhte eine Pistole mit trichterförmigem Lauf. Neben ihn glitt Alwine, den Blick dreist auf Bernina gerichtet, und schmiegte sich an Fronwieser.
Also war es kein Zufall gewesen, dass Alwine sich im Gasthof aufgehalten hatte. Da hast du es wohl mit deiner Hilfsbereitschaft übertrieben, sagte sich Bernina mit stummem Galgenhumor.
»Willkommen, schöne Dame«, zischte Lorentz. »Willkommen, hässlicher Zwerg.« Die Mündung der schweren Waffe suchte Berninas Körper. »Aber machen Sie es sich nicht erst bequem.« Das Grinsen klaffte weiterhin in seinem schmalen Gesicht. »Wir begeben uns auf einen Spaziergang.«
»Wer sind Sie?«, fragte Bernina, auch wenn sie wusste, dass sie keine Antworten erhalten würde. »Was wollen Sie von uns?«
»Ich? Gar nichts.« Er deutete zur Tür und einer seiner Helfer machte sie sogleich auf. »Doch jemand anders will anscheinend etwas von Ihnen.«
*
Zuerst war da nur eine Stimme. Eindringlich, bohrend, als würde sie nicht bloß in die Gehörgänge dringen, sondern wie eine Messerklinge in die Haut schneiden.
Die Stimme erklang immer wieder aufs Neue, um rasch zu verstummen; was sie sagte, war kaum zu verstehen. Ansonsten gab es nichts als Dunkelheit, durchzogen von tiefgrauem Nebel, der in Fetzen schwebte. Und jäh leuchteten in diesem Grau Augen auf, kreisrunde Augen, aus denen tiefe Blicke stachen.
Im nächsten Moment zuckten Blitze aus dem Nichts hervor, nein, es waren Flammen, Feuerzungen, die alles fraßen, was sie erwischen konnten, ehe sich von Neuem das unwirkliche Zwielicht durchsetzte und die Flammen erstickte. Dann waren da viele Stimmen, menschliche, lachende, weinende, verzweifelt aufschreiende Stimmen. Bilder entstanden, eher Fetzen davon, genau wie der Nebel, schemenhaft, unscharf, Dörfer in Schweden und Städte im Kaiserreich, die tückische Ruhe des Meeres und der Felder, der Lärm inmitten eines umherziehenden Heeres und das ohrenbetäubende Donnern auf den Schlachtfeldern – alles zugleich, alles vertraut und doch auch verwirrend. Die Stimmen gaben sich zu erkennen, rückten die dazu passenden Gesichter der
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