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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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hatte.
    »Wie lange sind wir schon hier?«, flüsterte Baldus, der nun wieder völlig bewegungslos dalag.
    »Bald müsste der Morgen kommen«, entgegnete Bernina ebenso leise.
    »Können Sie sich vorstellen, was das alles zu bedeuten hat?«
    »Das ist mir ebenso schleierhaft wie dir, Baldus.«
    Plötzlich Stimmen – auf dem Gang vor der Tür, entfernt, wahrscheinlich am Kopf der Treppe, über die sie beide in dieses Zimmer des oberen Stockwerks geführt worden waren.
    Männliche Stimmen. Lorentz Fronwieser und – ?
    Wer war da noch?
    »Ich dachte, das wäre ganz in Ihrem Sinne«, erklärte Fronwieser gerade in auffallend kleinlautem Ton, der kaum zu seiner üblicherweise grinsenden Visage passte.
    »Du und dein nutzloses Gesindel! Auf diese Weise seid ihr mir wahrlich keine Hilfe«, schnarrte der andere Mann – und der Klang der Stimme ließ Bernina auf einmal zusammenzucken. Nun wusste sie, wer mit Fronwieser sprach. »Du warst zu übereifrig, Lorentz, du Narr aller Narren. Augen offen halten, Hände ruhig halten. So lautete meine Anweisung.«
    »Aber ich dachte, die Frau könnte gefährlich werden und … «
    »Unsinn!« Erneut ein kurzes Schnarren. »Jetzt haben wir sie hier. Was soll ich mit ihr anfangen? Du solltest mich über ihr Handeln auf dem Laufenden halten, mehr nicht. Sie wäre niemals in meine Nähe gekommen, es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Und nun sitzt sie gewissermaßen auf meinem Schoß.«
    »Vielleicht sollte ich die beiden einfach verschwinden lassen«, schlug Fronwieser vor. »Für immer, meine ich.«
    »Was du meinst, ist mir überaus klar. Die blutigste Lösung ist allerdings nicht unbedingt die beste … « In diesem Moment wurden die Stimmen leiser, Schritte ertönten auf knarrendem Untergrund, die Männer gingen die Treppe hinunter.
    In Gedanken versuchte Bernina, den Weg zurückzuverfolgen, den sie nachts durch ein gespenstisch stilles Freiburg zurückgelegt hatten. Eine Zeit lang war ihr die Orientierung schwer gefallen, schließlich hatte sie jedoch erkannt, wo in etwa sie sich befanden. Zwischen leicht verwahrlost wirkenden Gebäuden, die sich aneinanderklammerten, ging es dahin, Meter um Meter tiefer ins Ungewisse, bis sie schließlich in einem kleinen Handwerkerviertel anlangten, das nur ›die Insel‹ genannt wurde. Knochen- und Ölmühlen, Schleifereien, Gerbereien. An den Fachwerkhäusern mit ihren lehmgefüllten Flechtwänden und Schindel- oder Strohdächern klebte ein Gemisch beißender Aromen, das auch die Nachtluft nicht vertreiben konnte.
    Eines dieser Häuser stellte sich als ihr Ziel heraus. Man hatte es umrundet, angeführt von Lorentz Fronwieser und Alwine, und erst in diesem Moment hatte Bernina bemerkt, dass es deutlich größer war als die übrigen in dieser Gegend. Der Hintereingang, die Treppe, der Flur, schließlich dieses Bücherzimmer. Und weniger denn je vermochte Bernina sich einen Reim auf all die Vorgänge zu machen. So lag sie da, abwartend, angespannt.
    Die Dunkelheit blieb, es war, als würde der Morgen ängstlich zögern, in die Stadt einzufallen. Plötzlich waren abermals Schritte zu vernehmen, laute Schritte, die Entschlossenheit vermittelten. Lorentz Fronwieser humpelte in den Raum, begleitet von zwei seiner Helfer.
    »Wir müssen uns beeilen«, knurrte Fronwieser, die Pistole in der Hand, an seine Begleiter gewandt. »Der neue Tag ist im Anmarsch.«
    Zwei Schnitte, die Fußfesseln waren durchtrennt. Bernina und Baldus wurden hochgerissen.
    Der Flur, die Treppe, der Hintereingang. Kein Laut drang zu ihnen, sie ließen das Haus, das wie ausgestorben dalag, zurück.
    Wieder durch leere Gassen, der Himmel darüber noch von dunkler Schwere, Fronwieser ging schneller und schneller, seine klackende Krücke schien zu tanzen. An einem der Tore wurden sie von Wachen angehalten. Ein kurzes Nicken, Fronwieser übergab ein paar Münzen, und das Tor wurde so weit geöffnet, dass sie nacheinander hindurchgleiten konnten.
    Bernina verstand: Es war, als wären sie niemals hier gewesen.
    Ein banger Seitenblick von Baldus zeigte, dass er genau derselben Meinung war. Hatte sich der Mann in dem Haus nicht ausdrücklich gegen eine blutige Lösung ausgesprochen? Berninas Gedanken rasten in fieberhafter Eile. Oder hatte er seine Ansicht geändert? Handelte Fronwieser gar auf eigene Faust?
    Ja, der Mann von vorhin. Seine Stimme. Bernina war sich sicher, sie wiedererkannt zu haben. Die Stimme gehörte niemand anders als Mentiri.
    Doch sie war, im Unterschied zu damals

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