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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Deshalb muss ich wieder mehr bei dir sein.«
    Sie sah ihm in die Augen, äußerte keinen Ton. Zweifelte sie auf einmal an diesem Mann? Oder eher an sich selbst? Oder am ganzen Leben?
    »Und das werde ich auch, Bernina.« Er versuchte, Nachdruck in seine Worte zu legen.
    Sie nickte ihm zu, nach wie vor schweigend.
    Darauf preschte er los, sogleich gefolgt von den Reitern, die die Wehr von Teichdorf bildeten. Bernina sah ihnen hinterher, bis sie sich in einer Staubwolke aufgelöst hatten.
    Durch die Wehr befand Nils sich in einem Zwiespalt, das wusste sie nur zu gut. Als man in Teichdorf auf Versammlungen ausführlich über die mögliche Gefahr neuer Gewalttaten durch aufmarschierende Armeen gesprochen hatte, waren die Leute zu dem Schluss gekommen, man sollte darauf reagieren wie früher: Wertvollen Besitz verstecken oder vergraben, sich still verhalten und sich am besten für eine Weile in das Dickicht der Wälder zurückziehen. Und das, was da kommen mochte – sei es Raub, Zerstörung oder gar Folter – , mit Geduld und Gebeten erwarten und hoffentlich überstehen.
    Norby war es, der in die Runde rief: »Ja, dann macht es wie die Schafe, haltet eure Köpfe hin und lasst euch abschlachten.«
    »Was wäre denn die bessere Lösung?«, wandte sich Egidius Blum, der Pfarrer von Teichdorf, der die Versammlungen leitete, geradewegs an ihn.
    »Natürlich sich zu wehren«, entgegnete Norby und ließ seinen typisch herausfordernden, leicht überheblichen Blick über sie wandern, der ihn nicht gerade sonderlich beliebt gemacht hatte.
    »Wehren?«, wiederholte Blum mit abfälliger Geste. »Wir sind rechtschaffene, gottesfürchtige Menschen, keine Krieger und Kämpfer. Einmal haben wir Söldner bezahlt, die unserer Gemeinde helfen sollten – und damit haben wir schlimme Erfahrungen gemacht, waren jene doch nicht besser als die Armeen, vor denen sie uns schützen sollten.«
    »Dann müsst ihr eben eigenhändig für euren Schutz sorgen.« Norby hob lässig die Achseln. »Schafe oder Wölfe. Sucht es euch aus. Dazwischen gibt es nichts.«
    Das war typisch für seine geradlinige, manchmal etwas schroffe Art, und mit einem weiteren Schulterzucken verließ er die Versammlung.
    Das Ergebnis war die Aufforderung an ihn gewesen, eine Bürgerwehr aufzubauen und anzuführen. Auch in anderen Gegenden schlossen sich Bürger und Bauern zusammen, die in den endlosen Jahren immer wieder von durchmarschierenden Armeen ausgepresst und gepeinigt worden waren. Sie begehrten auf und nahmen nicht mehr alles hin. Nicht nur in Teichdorf, überall in Baden und weit über dessen Grenzen hinaus schlug die Bevölkerung zurück – sie hörten sehr oft davon, dass es zu Zusammenstößen mit marodierenden Söldnereinheiten gekommen war.
    Bernina hatte Verständnis für ihren Mann: Die Bitte der Teichdorfer konnte er nicht abschlagen. Seit seiner Ankunft im Ort wurde er misstrauisch beäugt. Aufgrund seiner Vergangenheit als Soldat, seiner Herkunft – gerade schwedische Truppen genossen den Ruf, besonders rücksichtslos mit der Landbevölkerung umzuspringen – und einfach seiner Art war Norby ein Außenseiter in Teichdorf. Und er ließ seinerseits keinen Zweifel daran, dass er gar nichts anderes sein wollte. Als ehemaliger Offizier in der Armee von Gustav II. Adolf von Schweden, der vieles gesehen und erlebt hatte, schaute er voller Spott auf die braven Leute herab, und er ließ sie das spüren. Bernina bat ihn hin und wieder, es nicht zu übertreiben, aber es entsprach einfach seinem Wesen – er war ein Abenteurer, selbst jetzt noch, einer, der nichts fürchtete, der Stolz und Temperament besaß und das auch zeigte.
    Davon abgesehen war er ein großartiger Mann. Er war immer da, wenn Bernina ihn brauchte, erst recht in Momenten tödlicher Gefahr; für Bernina hatte er sein wildes, zielloses Leben aufgegeben. »Nicht nur ich habe dir damals beigestanden«, pflegte er zu sagen, »du hast mich davor bewahrt, ein Guldensöldner und Herumtreiber zu werden. Ohne dich, Bernina, wäre ich heute nur noch ein Gespenst, das auf verlassenen Schlachtfeldern spuken würde.« Sie liebten sich, genau wie andere Paare, doch darüber hinaus hatten sie das Schicksal und die gemeinsamen Erlebnisse auf ganz besondere Weise zusammengeschweißt. Jedenfalls empfand Bernina das so. Bis zu dem Tag, an dem ihre Tochter geboren wurde, ohne einen einzigen Atemzug getan zu haben. Und von da an lag ein Schatten auf Bernina, eine schwere tiefschwarze Wolke. Von da an veränderten

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