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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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sich zu den Leichen. Er packte fest zu und zog die zwei Gefallenen, von denen jeder gleich mehrere Kampfwunden aufwies, auf die Straße, um sie in einem gewissen Abstand liegen zu lassen. Ein offen geführter Kampf hatte jahrelang zu seinem Leben gehört, aber was er von jeher zutiefst verachtet hatte, waren Hinterhältigkeit und Feigheit. Er kannte nicht die Ursachen dafür, dass Leichen im Trinkwasser neue Leichen hervorbrachten, doch er hatte mit angesehen, was mit Menschen geschehen war, die aus einem Brunnen getrunken hatten, in den Söldner getötete Feinde geworfen hatten. Ein grässlicher Tod. Wenn man schon kämpfte, dann ohne derartige Tücken, das zumindest war Norbys Ansicht. Je länger allerdings der Krieg dauerte, desto verwerflicher wurde die Art, mit der man ihn betrieb.
    Als er die nächste Straße erreichte, war die Herberge schon in Sichtweite. Zwei Nachbargebäude standen in Flammen. Verzweifelt versuchten die Menschen, den Bränden Einhalt zu gebieten. Diesmal kümmerte sich Norby nicht um die Not der Fremden. Mit dem Degenknauf trommelte er so laut und ausdauernd gegen die Hintertür der Herberge, bis der Wirt öffnete – und beim Anblick des grimmigen Schweden heftig erschrak. Ungestüm drängte Norby an ihm vorbei, ohne sich um dessen ohnehin nur zurückhaltend hervorgebrachten Protest zu kümmern. Er stürmte auf die Stube zu, die er mit Bernina und Baldus in Beschlag genommen hatte, und stieß die Tür wuchtig auf.
    Fünf Männer, ziemlich abgerissen wirkende Gestalten, die auf der Erde kauerten, zuckten zusammen und glotzten ihn verblüfft an. Nacheinander erhoben sie sich. Keiner der Kerle brachte einen Ton über die Lippen. Norbys Augen suchten den Raum ab. Kleidungsstücke seiner Frau waren achtlos über den Boden verteilt. Aber das war in der jetzigen Situation nicht mehr von Belang. Der vom Petersthal-Hof mitgebrachte Proviant war gewiss in irgendwelchen Bäuchen verschwunden, wie sie es geahnt hatten. Dennoch bestand die Möglichkeit, dass der Weg hierher nicht umsonst gewesen war.
    »Hier ist kein Platz für dich«, wagte es einer der Männer doch noch, das Wort an ihn zu richten.
    Statt einer Antwort ging er zu einer der fleckigen Matratzen. Er bückte sich, wühlte in dem Bezug, der sich muffig um das Stroh schloss. Seine Hand ertastete den Lederbeutel, den Bernina hier versteckt hatte. Er grinste. Als er aufstand, machte er sich nicht die Mühe, seinen Fund zu verbergen. Er ließ sogar die Münzen klimpern.
    »Wenn ihr Halunken das gewusst hättet, was?«
    Die fünf Männer wechselten einen raschen Blick. Hände schoben sich unter speckige Wamse, gewiss um nach Dolchen oder Schlagwaffen zu greifen.
    Norby hob wie beiläufig den Degen an. »Wen immer das Schicksal bestimmt, mich zur Hölle fahren zu lassen«, sagte er in gelassenem Ton, »von euch jämmerlichen Schlappschwänzen wird es keiner sein. Also versucht es erst gar nicht.«
    Mit gelassenen Schritten bewegte er sich auf die Tür zu.
     
    *
     
    Die Eindringlinge hielten jäh inne. Verdutzt starrten sie nach oben. Am Kopf der im vorderen Teil des Hauses gelegenen Treppe war eine Gestalt mit langem blondem Haar erschienen, umhüllt von einer bunt gemusterten, offenbar triefend nassen Decke, unter der ein Eimer zum Vorschein kam, den die Frau in der Hand hielt.
    Die Plünderer lachten auf.
    »Eine Erscheinung.«
    »Ein Engel.«
    »Und was für ein entzückender.«
    Die Visagen waren Bernina unbekannt, keiner von Fronwiesers Bande befand sich darunter. Zu viert waren sie, keine Soldaten, sondern mit Messern und Knüppeln bewaffnete Gauner, wie der Krieg sie überall ausspuckte.
    Durch die wieder einmal aufgebrochene Hintertu ̈ r quoll Tageslicht herein. Bernina stand da, völlig bewegungslos.
    »Komm zu uns runter, du niedliches Ding«, schnarrte einer der Plünderer. »Oder sollen wir dich holen?«
    Ein Lichtkreis tauchte neben Bernina auf, gelbes Licht, das von einer Kerze in Baldus’ Hand stammte. Auch er war von einer nassen Decke verhüllt, auch er trug einen Eimer bei sich. Auf einem Pfosten des kunstvoll geschnitzten Treppengeländers stellte er die Kerze ab.
    »Was soll das denn für eine Vorstellung werden?«, knurrte ein anderer in einem Anflug von Argwohn.
    Wie auf ein nur für sie beide hörbares Stichwort übergossen Bernina und Baldus die Fremden schwungvoll mit dem Inhalt der Eimer.
    »Wasser hält uns nicht auf, ihr Spaßvögel«, rief einer von ihnen.
    »Das ist kein Wasser, du Narr«, schalt ihn ein

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