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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Begleiter in dumpfem Grollen.
    Die Kerze flog sofort hinterher, gefolgt von den nassen Decken, und urplötzlich schossen Flammen bis unter die Decke des Erdgeschosses empor. Die vier Männer waren innerhalb eines Augenblickes zu menschlichen Fackeln geworden. Ihre Schreie gellten durch das Haus. Verzweifelt lösten sie die ebenfalls brennenden Decken von ihren Körpern, sie stolperten, sprangen, hüpften, schlugen mit den Händen auf das Feuer ein, das ihre Kleidung und ihre Haut verschlang, rannten sich bei dem Versuch, ins Freie zu gelangen, fast gegenseitig über den Haufen, schafften es dennoch hinaus, wo sie auf einen Brunnen zustürzten, der nicht allzu weit entfernt lag.
    Unterdessen verbarrikadierte Baldus notdürftig die Tür, um dann gleich Bernina zu unterstützen, die die Vorhänge von einem der Fenster gerissen hatte. Damit versuchten sie, die Flammen zu ersticken. Zu zweit, unter Aufbietung aller Kräfte, gewannen sie den Kampf gegen den Brand, bevor er sich weiter ausbreiten konnte. Allein die elegante Treppe aus Tannenholz und ihr schönes Geländer waren nicht mehr zu retten – ein schwarzes Loch inmitten des Hauses. Verkohltes Holz, dicke Rauchschwaden, der beißende Geruch und die beiden erschöpften Gestalten, die auf den Boden sanken.
    Doch an Luftschöpfen, an eine Pause war nicht zu denken. Sie entfernten eine der unteren Zimmertüren, um sie gegen die Hintertür auszutauschen, deren Schloss durch das gewaltsame Eindringen der Fremden endgültig unbrauchbar geworden war. Wie schon immer auf dem Hof erwies sich Baldus bei solchen Arbeiten als sehr geschickt, und nach einiger Zeit war der Zugang wieder gut gesichert.
    Unterdessen hatte die Schlacht weiter getobt, ein dumpfes Dröhnen, das scheinbar niemals ein Ende finden würde, so beständig hielt es sich über der Stadt und ihren Gemäuern, so machtvoll erfüllte es den Himmel über den Dächern.
    Bis zum späten Nachmittag dauerte es, als ein leises rhythmisches Klopfen an eines der Fenster Bernina erleichtert aufatmen ließ. Nils hatte es tatsächlich geschafft, er war zurück, wenn auch ohne etwas Essbares, ebenfalls ohne das Pferd, von dem bei der Herberge jede Spur fehlte, aber zumindest mit dem Lederbeutel. Blieb nur die Frage, ob sie noch jemals etwas mit dem darin enthaltenen Geld würden kaufen können. Aber das war es nicht, woran Bernina dachte – an nichts dachte sie, an überhaupt nichts. Sie genoss den Moment, als sie Nils an sich drückte, ohne ein Wort, ohne einen Seufzer. Erst nach einer ganzen Weile sagte sie: »Ab jetzt lasse ich dich nicht mehr gehen, keinen einzigen Meter weit.«
    »Und ich wollte gerade zu einem gemütlichen Spaziergang aufbrechen«, erwiderte er scherzhaft.
    Bernina und Baldus berichteten Nils von dem Zwischenfall mit den Eindringlingen, während er alles erzählte, was ihm beim Weg durch die Stadt aufgefallen war. Hungrig und todmüde waren sie alle drei, als der Abend anbrach und der Kampfeslärm endlich einmal an Kraft verlor. Sie rätselten über den Ausgang der Schlacht, und Nils mutmaßte mit leiser Stimme: »Für mich sieht es aus, als würde die Stadt fallen. Immer wieder traf ich in den Straßen auf bayerische Soldaten. Es waren keine große Einheiten, aber kleinen Gruppen gelingt es offensichtlich, weiter ins Stadtgebiet vorzudringen.«
    »Bleibt nach wie vor die Frage, wie wir an etwas Essbares kommen«, erinnerte Baldus an ein entscheidendes Problem.
    »Wie gesagt, von unserem Proviant war nichts mehr zu entdecken«, meinte Nils nachdenklich. »Die Leute fangen an, Pferde zu schlachten. Und dass man Jagd auf Ratten macht, wie ihr berichtet habt, sagt auch einiges aus. Es ist, wie es immer ist: Zu viele Leute drängen vor einer möglichen Schlacht in die Stadt, und damit gibt es im Nu eben auch zu viele Bäuche, die es zu füllen gilt.«
    »Was sollen wir tun?« Bernina betrachtete ihn.
    »Heute nichts mehr.« Er hob die Schultern. »Wir alle sind müde, verflucht müde.«
    Ein tiefes Röcheln aus dem oberen Stockwerk unterbrach ihre Unterredung. Zu dritt liefen sie rasch die Treppe hinauf. An dem Sofa angekommen, erwartete sie jedoch niemand anderer als der Tod. Der junge Soldat, dessen Namen sie nicht einmal kannten, lebte nicht mehr. Bernina schloss seine in einem letzten Atemzug aufgerissenen Augen und faltete seine Hände. Sie sprach ein Gebet, das von vereinzelten Schüssen untermalt wurde.
    Anschließend wickelte Norby den Gefallenen in eine Decke. Mit Baldus’ Unterstützung trug er

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