Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
plötzlich geschaffen worden seien.
Ich will hier an eine schon früher gemachte Bemerkung erinnern, dass nämlich wohl ein äußerst langer Zeitraum dazu gehören dürfte, bis ein Organismus sich einer ganz neuen und besonderen Lebensweise anpasse, wie z. B. durch die Luft zu fliegen, und dass dem entsprechend die Übergangsformen oft lange auf eine bestimmte Gegend beschränkt bleiben müssen; dass aber, wenn diese Anpassung einmal bewirkt worden ist und nur einmal eine geringe Anzahl von Arten hierdurch einen großen Vorteil vor andern Organismen erworben hat, nur noch eine verhältnismäßig kurze Zeit dazu erforderlich ist, um viele auseinanderweichende Formen hervorzubringen, welche dann geeignet sind, sich schnell und weit über die Erdoberfläche zu verbreiten. Professor Pictet sagt in dem vortrefflichen Berichte, welchen er über dieses Buch gibt, bei Erwähnung der frühesten Übergangsformen beispielsweise von den Vögeln: er könne nicht einsehen, welchen Vorteil die allmähliche Abänderung der vorderen Gliedmaßen einer angenommenen Stammform dieser zu gewähren im Stande gewesen sein sollte? Betrachten wir aber die Pinguine der südlichen Weltmeere; sind denn nicht bei diesen Vögeln die Vordergliedmaßen gerade eine Zwischenform von »weder wirklichen Armen noch wirklichen Flügeln?« Und doch behaupten diese Vögel im Kampfe um’s Dasein siegreich ihre Stelle, zahllos an Individuen und in mannigfaltigen Arten. Ich bin nicht der Meinung, hier eine der wirklichen Übergangsstufen zu sehen, durch welche der Flügel der Vögel sich gebildet habe; was für eine Schwierigkeit liegt wohl aber gegen die Meinung vor, dass es den modifizierten Nachkommen dieser Pinguine von Nutzen sein würde, wenn sie allmählich solche Abänderung erführen, dass sie zuerst gleich der Dickkopf-Ente ( Micropterus brachypterus ) flach über den Meeresspiegel hinflattern und endlich sich erheben und durch die Luft schweben lernten?
Ich will nun einige wenige Beispiele zur Erläuterung dieser Bemerkungen und insbesondere zum Nachweise darüber mitteilen, wie leicht wir uns in der Meinung, dass ganze Artengruppen auf einmal entstanden seien, irren können. Schon die kurze Zeit, welche zwischen der ersten und der zweiten Ausgabe von Pictet’s Paläontologie verflossen ist (1844–46 bis 1853–57) hat zur wesentlichen Umgestaltung der Schlüsse über das erste Auftreten und das Erlöschen verschiedener Tiergruppen geführt, und eine dritte Auflage würde schon wieder bedeutende Veränderungen erheischen. Ich will zuerst an die wohlbekannte Tatsache erinnern, dass nach den noch vor wenigen Jahren erschienenen Lehrbüchern der Geologie die große Klasse der Säugetiere ganz plötzlich am Anfange der Tertiärperiode aufgetreten sein sollte; und nun zeigt sich eine der im Verhältnis ihrer Dicke reichsten Lagerstätten fossiler Säugetierreste mitten in der Secundärreihe, und echte Säugetiere sind in Anfangsschichten dieser großen Reihe, im [triasischen] New red Sandstone entdeckt worden. Cuvier pflegte Nachdruck darauf zu legen, dass noch kein Affe in irgend einer Tertiärschicht gefunden worden sei; jetzt aber kennt man fossile Arten von Vierhändern in Ost-Indien, in Süd-Amerika und in Europa, sogar schon aus der miocenen Periode. Hätte uns nicht ein seltener Zufall die zahlreichen Fährten im New red Sandstone der Vereinigten Staaten aufbewahrt, wie würden wir anzunehmen gewagt haben, dass außer Reptilien auch schon nicht weniger als mindestens dreißig Vogelarten, einige von riesiger Größe, in so früher Zeit existiert hätten; und es ist noch nicht ein Stückchen Knochen in jenen Schichten gefunden worden. Bis vor kurzer Zeit behaupteten Paläontologen, dass die ganze Klasse der Vögel plötzlich während der eocenen Periode aufgetreten sei; doch wissen wir jetzt nach Owen’s Autorität, dass ein Vogel gewiß schon zur Zeit gelebt hat, als der obere Grünsand sich ablagerte; und in noch neuerer Zeit ist jener merkwürdige Vogel, Archaeopteryx , in den Solenhofener oolithischen Schiefern entdeckt worden mit einem langen eidechsenartigen Schwanze, der an jedem Gliede ein paar Federn trägt, und mit zwei freien Klauen an seinen Flügeln. Kaum irgend eine andere Entdeckung zeigt eindringlicher als diese, wie wenig wir noch von den früheren Bewohnern der Erde wissen.
Ich will noch ein anderes Beispiel anführen, was mich, als unter meinen eigenen Augen vorkommend, sehr frappirte. In der Abhandlung über fossile
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