Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
selbst.
Elftes Kapitel – Geologische Aufeinanderfolge organischer Wesen
Langsames und successives Erscheinen neuer Arten. — Verschiedenes Maß ihrer Veränderung. — Einmal untergegangene Arten kommen nicht wieder zum Vorschein. — Artengruppen folgen denselben allgemeinen Regeln des Auftretens und Verschwindens, wie die einzelnen Arten. — Erlöschen der Arten. — Gleichzeitige Veränderungen der Lebensformen auf der ganzen Erdoberfläche. — Verwandtschaft erloschener Arten mit andern fossilen und mit lebenden Arten. — Entwicklungsstufe erloschener Formen. — Aufeinanderfolge derselben Typen im nämlichen Ländergebiete. — Zusammenfassung dieses und des vorhergehenden Kapitels.
Sehen wir nun zu, ob die verschiedenen Tatsachen und Gesetze hinsichtlich der geologischen Aufeinanderfolge der organischen Wesen besser mit der gewöhnlichen Ansicht von der Unabänderlichkeit der Arten, oder mit der Theorie von deren langsamer und stufenweiser Abänderung durch natürliche Zuchtwahl übereinstimmen.
Neue Arten sind im Wasser wie auf dem Lande nur sehr langsam, eine nach der andern zum Vorschein gekommen. Lyell hat gezeigt, dass es kaum möglich ist, sich den in den verschiedenen Tertiärschichten niedergelegten Beweisen in dieser Hinsicht zu verschließen und jedes Jahr strebt die noch vorhandenen Lücken zwischen den einzelnen Stufen mehr auszufüllen und das Prozentverhältnis der noch lebend vorhandenen zu den ganz ausgestorbenen Arten mehr und mehr abzustufen. In einigen der neuesten, wenn auch in Jahren ausgedrückt gewiß sehr alten Schichten kommen nur eine oder zwei ausgestorbene, und nur je eine oder zwei für die Erdoberfläche oder für die Örtlichkeit neue Formen vor. Die Secundärformationen sind mehr unterbrochen; aber in jeder einzelnen Formation hat, wie Bronn bemerkt hat, weder das Auftreten noch das Verschwinden ihrer vielen jetzt erloschenen Arten gleichzeitig stattgefunden.
Arten verschiedener Gattungen und Klassen haben weder gleichen Schrittes noch in gleichem Verhältnise gewechselt. In den älteren Tertiärschichten liegen einige wenige lebende Arten mitten zwischen einer Menge erloschener Formen. Falconer hat ein schlagendes Beispiel ähnlicher Art berichtet, nämlich von einem Crocodile noch lebender Art, welches mit einer Menge fremder und untergegangener Säugetiere und Reptilien in Schichten des Subhimalaya beisammen lagert. Die silurischen Lingula -Arten weichen nur sehr wenig von den lebenden Spezies dieser Gattung ab, während die meisten der übrigen silurischen Mollusken und alle Kruster großen Veränderungen unterlegen sind. Die Landbewohner scheinen sich schnelleren Schrittes als die Meeresbewohner verändert zu haben, wovon ein treffender Beleg kürzlich aus der Schweiz berichtet worden ist. Es ist Grund zur Annahme vorhanden, dass solche Organismen, welche auf höherer Organisationsstufe stehen, sich rascher als die unvollkommen entwickelten verändern; doch gibt es Ausnahmen von dieser Regel. Das Maß organischer Veränderung ist nach Pictet’s Bemerkung nicht in allen aufeinanderfolgenden sogenannten geologischen Formationen dasselbe. Wenn wir aber irgend welche, ausgenommen zwei einander auf’s engste verwandte Formationen mit einander vergleichen, so finden wir, dass alle Arten einige Veränderungen erfahren haben. Ist eine Art einmal von der Erdoberfläche verschwunden, so haben wir keinen Grund zur Annahme, dass dieselbe identische Art je wieder zum Vorschein kommen werde. Die anscheinend auffallendsten Ausnahmen von dieser Regel bilden Barrande’s sogenannte »Colonien« von Arten, welche sich eine Zeit lang mitten in ältere Formationen einschieben und dann später die vorher existierende Fauna wieder erscheinen lassen; doch halte ich Lyell’s Erklärung, sie seien durch temporäre Wanderungen aus einer geographischen Provinz in die andere bedingt, für vollkommen genügend.
Diese verschiedenen Tatsachen vertragen sich wohl mit meiner Theorie. Ich glaube an kein festes Entwicklungsgesetz, welches alle Bewohner einer Gegend veranlasste, sich plötzlich oder gleichzeitig oder gleichmäßig zu ändern. Der Abänderungsprozess muss ein langsamer sein und wird im Allgemeinen nur wenig Spezies zu einer und derselben Zeit ergreifen; denn die Veränderlichkeit jeder Art ist ganz unabhängig von der aller andern Arten. Ob sich die natürliche Zuchtwahl solche Veränderlichkeit oder individuelle Verschiedenheit zu Nutzen macht, und ob die in größerem
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