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Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Darwin
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rudimentärer Organe in der Natur weiter zu beleuchten, als dass er uns zeigt, dass Stummel entstehen können; denn wägt man die Beweise gegen einander ab, so erfolgt deutlich ein Ausschlag nach der Seite der Annahme hin, dass Arten im Naturzustande keinen großen und plötzlichen Veränderungen unterliegen. Aus dem Studium unserer Kulturerzeugnisse lernen wir aber, dass der Nichtgebrauch der Teile zu einer Reduktion ihrer Größe führt, und dass dieses Resultat vererbt wird.
    Allem Anscheine nach hat hauptsächlich Nichtgebrauch die Organe rudimentär gemacht. Zuerst wird er in langsamen Schritten zu einer immer vollständigeren Reduktion eines Teiles führen, bis er endlich rudimentär wird, so bei den Augen in dunklen Höhlen lebender Tiere, und bei den Flügeln ozeanische Inseln bewohnender Vögel, welche selten durch Raubtiere zum Fliegen gezwungen werden und daher dieses Vermögen zuletzt gänzlich einbüßen. Ebenso kann ein unter gewissen Umständen nützliches Organ unter anderen Umständen sogar nachteilig werden, wie die Flügel der auf kleinen und exponirten Inseln lebenden Insekten. In diesem Falle wird natürliche Zuchtwahl fortwährend dazu beigetragen haben, das Organ langsam zu reduzieren, bis es unschädlich und rudimentär wird.
    Eine jede Änderung im Bau und in den Verrichtungen, welche in unmerkbaren Abstufungen eintreten kann, liegt im Wirkungsbereiche der natürlichen Zuchtwahl; daher ein Organ, welches in Folge geänderter Lebensweise nutzlos oder nachteilig für eine Bestimmung wird, abgeändert und für andere Verrichtungen verwendet werden kann. Oder ein Organ wird nur noch für eine von seinen früheren Verrichtungen beibehalten. Ein ursprünglich durch natürliche Zuchtwahl gebildetes, aber nutzlos gewordenes Körperglied mag veränderlich sein, weil seine Abänderungen nicht mehr durch natürliche Zuchtwahl aufgehalten werden können. Alles dies stimmt ganz wohl mit dem überein, was wir im Naturzustande sehen. In welchem Lebensabschnitte überdies auch ein Organ durch Nichtbenützung oder Züchtung reduziert werden mag (und dies wird gewöhnlich erst der Fall sein, wenn das Tier zu seiner vollen Reife und Tatkraft gelangt ist): so wird das Prinzip der Vererbung in sich entsprechenden Altern dieses Organ in reduziertem Zustande stets im nämlichen reifen Alter wieder erscheinen zu lassen streben und es mithin nur selten im Embryo afficiren. So erklärt sich mithin die beträchtlichere Größe rudimentärer Organe im Embryo im Verhältnis zu den benachbarten Teilen und deren relativ geringere Größe im Erwachsenen. Wenn z. B. die Zehe eines erwachsenen Tieres viele Generationen lang in Folge irgend einer Änderung der Lebensweise immer weniger und weniger benutzt wurde, oder wenn ein Organ oder eine Drüse immer weniger und weniger funktionell tätig war, so können wir schließen, dass der Teil bei den erwachsenen Nachkommen dieses Tieres an Größe reduziert sein wird, aber seinen ursprünglichen Entwicklungsmodus im Embryo nahezu beibehalten wird.
    Es bleibt indes noch eine Schwierigkeit übrig. Wenn ein Organ nicht mehr benutzt wird und in Folge dessen bedeutend reduziert worden ist, wie kann es nun immer weiter reduziert werden, bis endlich nur eine Spur von ihm übrig bleibt; und wie kann es endlich völlig fehlschlagen? Es ist kaum möglich, dass Nichtgebrauch noch irgend eine weitere Wirkung äußern kann, nachdem das Organ einmal funktionslos gemacht worden war. Hier ist noch irgend eine weitere Erklärung notwendig, welche ich nicht geben kann. Wenn es z. B. bewiesen werden könnte, dass jeder Teil der Organisation in einem höheren Grade nach einer Größenverminderung hin als nach einer Größenzunahme zu variieren strebe, dann würden wir zu verstehen im Stande sein, auf welche Weise ein nutzlos gewordenes Organ unabhängig von den Wirkungen des Nichtgebrauchs rudimentär gemacht und schließlich vollständig unterdrückt würde; denn die nach einer Größenabnahme hinwirkenden Abänderungen würden nicht mehr durch natürliche Zuchtwahl aufgehalten werden. Das in einem früheren Kapitel erläuterte Prinzip der Ökonomie, wonach die zur Bildung eines dem Besitzer nicht mehr nützlichen Teiles verwendeten Bildungsstoffe so weit als möglich erspart werden, kommt vielleicht beim Rudimentärwerden eines nutzlosen Teils mit ins Spiel. Dies Prinzip wird aber beinahe notwendig auf die früheren Stadien des Reduktionsprozesses beschränkt sein; denn wir können nicht annehmen,

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