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Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Darwin
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bei gewissen Tieren oder Pflanzen nicht einmal eine Spur mehr von einem Organe finden, welches wir nach Analogie dort zu erwarten berechtigt sind und nur zuweilen noch in monströsen Individuen der Spezies hervortreten sehen. So ist bei den meisten Scrophularinen das fünfte Staubgefäß völlig abortirt; doch können wir schließen, dass ein fünfter Staubfaden früher existierte; denn in vielen Arten der Familie findet sich ein Rudiment eines solchen und dies Rudiment kommt zuweilen vollständig entwickelt zum Vorschein, wie es beim gemeinen Löwenmaul zu sehen ist. Wenn man die Homologien eines Teiles in den verschiedenen Gliedern einer Klasse verfolgt, so ist nichts gewöhnlicher oder, um die Beziehungen der Teile zu einander ordentlich zu verstehen, nützlicher, als die Entdeckung von Rudimenten. R. Owen hat dies ganz gut in Zeichnungen der Beinknochen des Pferdes, des Ochsens und des Nashorns dargestellt.
    Es ist eine wichtige Tatsache, dass rudimentäre Organe, wie die Zähne im Oberkiefer der Wale und Wiederkäuer, oft im Embryo zu entdecken sind und nachher völlig verschwinden. Auch ist es, glaube ich, eine allgemeine Regel, dass ein rudimentäres Organ den angrenzenden Teilen gegenüber im Embryo größer als im Erwachsenen erscheint, so dass das Organ im Embryo minder rudimentär ist und oft kaum als irgendwie rudimentär bezeichnet werden kann. Daher sagt man oft von einem rudimentären Organ, es sei auf seiner embryonalen Entwicklungsstufe auch im Erwachsenen stehen geblieben.
    Ich habe jetzt die leitenden Tatsachen in Bezug auf rudimentäre Organe aufgeführt. Bei weiterem Nachdenken darüber muss jeder von Erstaunen betroffen werden; denn dieselbe Urteilskraft, welche uns so deutlich erkennen lässt, wie vortrefflich die meisten Teile und Organe gewissen Bestimmungen angepasst sind, lehrt uns auch mit gleicher Deutlichkeit, dass diese rudimentären und atrophirten Organe unvollkommen und nutzlos sind. In den naturgeschichtlichen Werken liest man gewöhnlich, dass die rudimentären Organe nur der »Symmetrie wegen« oder »um das Schema der Natur zu ergänzen« vorhanden sind; dies scheint mir aber keine Erklärung, sondern nur eine Umschreibung der Tatsache zu sein. Auch ist es nicht consequent durchzuführen: so hat die Boa konstrictor Rudimente der Hintergliedmaßen und des Beckens, und wenn man nun sagt, dass diese Knochen erhalten worden sind, »um das natürliche Schema zu vervollständigen«, warum, wie Prof. Weismann frägt, sind sie nicht bei andern Schlangen erhalten worden, welche nicht einmal eine Spur dieser Knochen besitzen? Was würde man von einem Astronomen denken, welcher behaupten wollte, weil Planeten in elliptischen Bahnen laufen, so nehmen Satelliten denselben Lauf um die Planeten nur der Symmetrie wegen? Ein ausgezeichneter Physiolog sucht das Vorkommen rudimentärer Organe durch die Annahme zu erklären, dass sie dazu dienen, überschüssige oder dem Systeme schädliche Materie auszuscheiden. Aber kann man denn annehmen, dass das kleine nur aus Zellgewebe bestehende Wärzchen, welches in männlichen Blüten oft die Stelle des Pistills vertritt, dies zu bewirken vermöge? Kann man annehmen, dass die Bildung rudimentärer Zähne, die später wieder resorbirt werden, dem in raschem Wachsen begriffenen Kalbsembryo durch Ausscheidung der ihm so wertvollen phosphorsauren Kalkerde von irgend welchem Nutzen sein könne? Wenn ein Mensch durch Amputation einen Finger verliert, so kommt an den Stummeln zuweilen ein unvollkommener Nagel wieder zum Vorschein. Man könnte nun gerade so gut glauben, dass dieses Rudiment nur um Hornmaterie auszuscheiden wieder erscheine, wie dass die Nagelstummel an den Ruderfüßen des Manati dazu bestimmt wären.
    Nach meiner Annahme einer Fortpflanzung mit Abänderung erklärt sich die Entstehung rudimentärer Organe vergleichsweise einfach und wir können in ziemlich weitem Grade die ihre unvollkommene Entwicklung regelnden Gesetze einsehen. Wir kennen eine Menge Beispiele von rudimentären Organen bei unseren Kulturerzeugnissen, wie den Schwanzstummel in ungeschwänzten Rassen, den Ohrstummel in ohrlosen Rassen bei Schafen, das Wiedererscheinen kleiner nur in der Haut hängender Hörner bei ungehörnten Rinderrassen und besonders nach Youatt, bei jungen Tieren derselben, und den Zustand der ganzen Blüte im Blumenkohl. Oft sehen wir auch Stummel verschiedener Art bei Misgeburten. Aber ich bezweifle, dass einer von diesen Fällen geeignet ist, die Bildung

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